Klimagutachten des IGH verleiht Klimaklage gegen Österreich neue Schlagkraft
Wien – Ein wegweisendes Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag sorgt für juristische Bewegung in der internationalen Klimapolitik – und bringt neuen Rückenwind für die Klimaklage Müllner v. Austria, die aktuell beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig ist. Die Klage wird von der Wiener Anwältin Michaela Krömer geführt und vom Verein CLAW – Initiative für Klimarecht unterstützt.
„Mehr Rückenwind könnte es für unsere Klimaklage kaum geben“, sagt Rechtsanwältin Michaela Krömer. „Der IGH stellt klar: Klimaschutz ist eine rechtliche Pflicht jedes Staates. Diese Pflicht wird in Österreich grob vernachlässigt.“
Die Klimaklage Müllner v. Austria richtet sich gegen das staatliche Versäumnis, Menschen in Österreich ausreichend vor den Folgen der Klimakrise zu schützen – eine Schutzpflicht, die sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt. Klimaziele würden regelmäßig verfehlt, Maßnahmen seien unzureichend und Betroffene hätten keinen effektiven Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz, so die Klägerseite.
Das nun veröffentlichte Gutachten des IGH stützt diese Argumentation: Es bekräftigt, dass Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, wirksamen Klimaschutz umzusetzen – unter anderem auf Basis internationaler Abkommen wie dem Pariser Klimaabkommen, dem Kyoto-Protokoll und der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Der Gerichtshof betont zudem, dass das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt ein integraler Bestandteil der Menschenrechte ist.
Besondere Bedeutung misst der IGH dem 1,5-Grad-Ziel bei: Es sei nicht bloß ein politisches Ziel, sondern eine rechtlich verbindliche Schwelle, an der nationale Klimapolitik gemessen werden müsse. Für Österreich bedeutet das eine klare Aufforderung zum Handeln.
„Ein wirksames Klimaschutzgesetz auf Grundlage des 1,5°C-Ziels ist das logistische Herzstück rechtskonformer Klimapolitik“, so Michaela Krömer. „Dass ein solches Gesetz in Österreich fehlt, ist keine Formalie – es ist einer der Hauptgründe, weshalb wir klagen.“
Für zusätzliche Brisanz sorgt ein weiterer Punkt des IGH-Gutachtens: Die fortgesetzte Förderung fossiler Energien wird darin als potenziell rechtswidrig eingestuft.
„Der Internationale Gerichtshof stellt klar: Staaten können völkerrechtlich für Untätigkeit im Umgang mit fossilen Energien haftbar gemacht werden – von der Förderung bis zu staatlichen Subventionen“, erklärt Florian Graber, Umweltjurist bei CLAW. „In Österreich fließen jährlich rund 5,7 Milliarden Euro in fossile Subventionen. Das ist nicht nur klimapolitisch fahrlässig, sondern nun auch juristisch höchst problematisch.“
Zwar ist das Gutachten des IGH rechtlich nicht bindend – seine Autorität aber ist groß. Es schafft neue rechtliche Standards, gibt Gerichten in aller Welt Orientierung und erhöht den Druck auf Staaten, den rechtlichen Pflichten im Klimaschutz gerecht zu werden.
„Das Gutachten bestätigt, was unsere Klage geltend macht: Wirksamer Klimaschutz ist keine politische Option, sondern eine menschenrechtliche Verpflichtung“, so Krömer.
Mit dem Rückenwind des IGH-Gutachtens sieht sich die Klimaklage Müllner v. Austria in ihrer Grundsatzargumentation bestärkt – und könnte, sollte der EGMR dieser folgen, Signalwirkung für ganz Europa entfalten.