Gründach auf dem Gewandhaus Leipzig: Forschung für klimaresiliente Städte
Glasfasern messen Temperatur und Feuchtigkeit
Gemeinsam mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig, dem Forschungs- und Transferzentrum Leipzig (FTZ) und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) verlegte ein Forscherteam unter Leitung von Dr. Martin Weisbrich im Frühjahr Glasfasern im und auf dem Substrat des neuen Gründachs.
„Die Methode erlaubt es, über lange Zeiträume Temperaturen im Gründach kontinuierlich und vor allem ortsspezifisch zu erfassen. Sie liefert Rückschlüsse zur Feuchte und zum Zustand des Gründachs, was sonst nur durch aufwändige Begehung möglich wäre“, erklärt der promovierte Bauingenieur. Künftig sollen die Messdaten jederzeit abrufbar sein, um bei Trockenheit gezielt bewässern zu können – nicht nach dem „Gießkannen-Prinzip“, sondern genau dort, wo das Substrat zu trocken ist.
Zusätzlich werden die Messungen durch Drohnenaufnahmen mit Wärmebildkameras ergänzt. „So können wir wichtige Zusammenhänge zwischen Volumen- und Oberflächentemperaturen ableiten“, erläutert Weisbrich. „Diese Korrelation ist bislang nicht möglich, da die meisten Aussagen zu Gründächern nur auf Infrarotaufnahmen der Oberfläche basieren.“
Für das Gewandhaus ist das Projekt Teil eines größeren Engagements. „Das Gewandhaus ist wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens in Leipzig. Wir möchten auch über die Kultur hinaus zu einer lebenswerten Stadt beitragen. Deswegen haben wir, mit Unterstützung des Amtes für Umweltschutz der Stadt Leipzig, auf unserem Flachdach naturnahe Grünflächen errichtet“, sagt Toni Schlesinger, technischer Leiter des Gewandhauses.
Das Dach soll auch künftig für Forschungsarbeiten zur Verfügung stehen. Unterstützung kommt vom „Leipziger Gründach Think Tank“, einem Zusammenschluss aus Forschung, Gartenbau und Verwaltung. „Gründächer sind ein wichtiger Bestandteil von zukunftsfähigen Städten, die auch unter den Bedingungen des Klimawandels lebenswerte Bedingungen bieten können“, erklärt Dr. Lucie Moeller, Umweltbiotechnologin am UFZ. „Aus diesem Grund forschen wir am UFZ zu Funktionen von Gründächern, zur Resilienz gegenüber Temperatur- und Feuchteschwankungen oder zum Abbau von Schadstoffen durch die Bepflanzung.“
Das nächste gemeinsame Projekt – ValiGrün – ist bereits in Planung: Unter Leitung des UFZ sollen mikroklimatische Effekte untersucht werden. Neben dem Gewandhaus beteiligen sich auch die TU Dresden und das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung. Ziel ist es, zu verstehen, wie sich blau-grüne Infrastrukturen wie Gründächer an den Klimawandel anpassen lassen und wie sich ihre Funktionen im städtischen Raum verbessern lassen.
Die auf dem Gewandhausdach eingesetzte faseroptische Messtechnik stammt ursprünglich aus dem Bauwerksmonitoring und wurde etwa zur Überwachung von Rissen oder statischen Problemen eingesetzt. Gefördert durch das transfun®-Innovationsprogramm des UFZ testet eine gemeinsame UFZ/HTWK-Arbeitsgruppe nun, wie sich die Technologie in der Stadtbegrünung einsetzen lässt.
„Wir sehen uns in einer Brückenfunktion zwischen Forschung und Anwendung“, sagt Dr. Ulf Roland vom UFZ. „Unser Anspruch ist es, gewonnene Erkenntnisse umsetzbar zu machen.“ Dabei spielt das Transfernetzwerk Saxony5, in dem sich fünf sächsische Hochschulen zusammengeschlossen haben, eine zentrale Rolle. Im Teilprojekt „Nachhaltiges Bauen“ arbeitet die HTWK Leipzig daran, den Bausektor nachhaltiger zu gestalten.
Das Gründach des Gewandhauses vereint Kultur, Klimaschutz und Forschung auf spektakuläre Weise. Es liefert nicht nur neue Erkenntnisse für die Pflege und Bewirtschaftung begrünter Dächer, sondern auch Anstöße für klimaangepasstes Bauen in ganz Deutschland.