Deutschland: Greenpeace-Aktive protestieren vor Autogipfel für Verbrenner-Aus
Ein Aktivist steigt mit einer Fahne für klimafreundliche Elektromobilität auf ein Autodach. Drei Autos formen zusammen die Aufschrift “Mehr Elektro Wagen”, inspiriert von Willy Brandts Motto “Mehr Demokratie wagen”. Nach einer Greenpeace-Berechnung haben abgasfreie E-Autos im Vergleich zu Verbrennern in den letzten zehn Jahren 18 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Das entspricht rund 25 Millionen Hin- und Rückflügen von Berlin nach Palma de Mallorca. Bleibt die deutsche Bundesregierung beim eingeschlagenen E-Auto-Kurs, könnten bis 2030 sogar rund 80 Millionen zusätzliche Tonnen CO2 vermieden werden. Der E-Auto-Boom in Europa wird vor allem von den CO2-Flottengrenzwerten und dem beschlossenen Verbrenner-Aus 2035 getrieben.
“Jetzt am klaren Umstiegsplan von Verbrennern auf E-Autos zu rütteln, wäre fatal. Die EU-Ziele machen E-Autos schnell erschwinglich, Klimaziele bleiben erreichbar und die deutsche Autoindustrie auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig”, sagt Marion Tiemann, Verkehrsexpertin von Greenpeace. “Statt vor der Verbrenner-Lobby einzuknicken, ist es die Verantwortung der Bundesregierung, der Branche mit einem verlässlichen Rahmen Planungssicherheit zu geben. Dieses ständige Hick-Hack ist das Gegenteil davon. Auf einem toten Pferd gewinnt man kein Rennen."
Strom statt Sprit: E-Autos haben großes Potential für Klimaschutz im Verkehr
Greenpeace hat die Klimabilanz von E-Autos zwischen 2016 und 2025 anhand von Pkw-Bestand, Fahrleistungen und Strommix berechnet. Allein im laufenden Jahr 2025 werden E-Autos bis Jahresende über 5 Millionen Tonnen CO2 vermeiden. Insgesamt könnten von 2016 bis 2030 fast 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Diese Mengen basieren auf der Annahme aus dem Projektionsbericht der Bundesregierung, dass bis 2030 8,7 Millionen E-Autos in Deutschland fahren. Der Elektro-Aufschwung verbessert dabei nicht nur die deutsche Klimabilanz, sondern verringert auch die Abhängigkeit von Ölimporten.
Seit Wochen drängt die Verbrenner-Lobby aus VDA (Verband der Automobilindustrie) Zulieferern und Ölindustrie auf eine Lockerung des europäischen Klimaschutzes und stemmt sich gegen das Verbrenner-Aus. Sie behauptet, die Ziele für 2035 wären nicht erreichbar und hat sich damit erfolgreich Gehör bei der Union und Kanzler Merz (CDU) verschafft. “Zehn Jahre sind genug Zeit für die deutsche Autoindustrie, wenn sie auf dem globalen Markt bestehen will”, so Tiemann. “Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung den Umstieg für kleine Einkommen mit Anreizen erleichtern will. Sie sollte diese Kaufanreize gegenfinanzieren, indem sie den Kauf neuer Verbrenner steuerlich unattraktiv macht.”
Die deutsche Bundesregierung fordert mehr Flexibilität in der europäischen Regulierung zu den CO2-Flottengrenzwerten für Pkw. Das soll durch mehr “Flexibilisierung” im bisherigen Zeitplan erreicht werden, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach dem heutigen Treffen mit der Autoindustrie. Explizit fordert der Kanzler die Industrie auf, weitere Antriebe und Technologien zu erforschen und zu entwickeln.
Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace sieht darin enorme Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche und den Schutz des Klimas: „Dieses Treffen war kein Gipfel, sondern ein Tiefpunkt. Während die deutsche Autoindustrie einem global boomenden E-Auto-Markt hinterher hechelt, empfiehlt der Bundeskanzler den Konzernen, erst mal in die Breite der Möglichkeiten zu entwickeln. Ohne Kompass aber findet niemand sein Ziel. Statt für die nötige Klarheit, sorgt der Kanzler so für mehr Verunsicherung und droht den Umstieg auf klimaschonende E-Autos weiter zu verzögern. Dabei legt die E-Mobilität gerade richtig zu, die Zulassungen steigen steil, endlich kommen auch bezahlbare Modelle auf den Markt. Diese mutmachende Entwicklung darf die Bundesregierung jetzt nicht abwürgen, indem sie im Gestern verharrt und Ausnahmen für Verbrenner in Form von Plug-In-Hybriden und Range Extendern schaffen will. Sie sollte den Konzernen den nötigen politischen Rückenwind geben, damit sie im Rennen um klimaschonende Zukunftsmärkte weiter aufholt. Das geht nur mit einem klaren Fahrplan für den Umstieg aufs E-Auto. Die Europäische Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen darf diesen nach hinten gerichteten Vorschlag der Koalition nicht annehmen. Sie muss zu konsequentem Klimaschutz und einem klaren Bekenntnis zur E-Mobilität mit verbindlichen Flottengrenzwerten bis 2035 stehen.“