© J.Lousberg/Vattenfall / Von der Windturbine zum Tiny House
© J.Lousberg/Vattenfall / Von der Windturbine zum Tiny House

Eine Windturbine wird zum Tiny House

Warum verschrotten, wenn man auch darin wohnen kann?

©  J. Lousberg / Vattenfall / Wohlfühlatmospäre im Tiny House
© J. Lousberg / Vattenfall / Wohlfühlatmospäre im Tiny House
© J. Lousberg/ Vattenfall /Schwimmende Rotorblätter im IJsselmeer
© J. Lousberg/ Vattenfall /Schwimmende Rotorblätter im IJsselmeer

Vattenfall stellt auf der „Dutch Design Week“, die derzeit in Eindhoven stattfindet, das erste Tiny House vor, das aus dem Maschinenhaus, der Gondel, einer ausrangierten Windenergieanlage hergestellt worden ist. Damit soll gezeigt werden, dass innovative Lösungsansätze einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten können.

Die Idee für diese Art, die Gondel einer Windturbine nachzunutzen, wurde von Vattenfall gemeinsam mit niederländischen Designern entwickelt. Wo vorher die Technik der Windturbine im Inneren der Gondel Strom erzeugte, stehen jetzt Küche, Bad und Wohnzimmer. Außerdem wurde das Tiny House mit intelligenter Technik wie einer Wärmepumpe, einer Photovoltaikanlage und einem Solarkessel ausgestattet. Das vier Meter breite, zehn Meter lange und drei Meter hohe Gehäuse stammt ursprünglich von einer Windturbine, die zwanzig Jahre lang in Österreich erneuerbaren Strom produzierte.

Wiederverwenden statt einschmelzen

Tausende Windkraftanlagen werden in den kommenden Jahrzehnten am Ende ihrer Lebenszeit rückgebaut oder ersetzt werden. Die meisten Teile einer Windkraftanlage – Fundament, Turm, Getriebeteile und Generator – bestehen aus Metall oder Beton und sind recycelbar. Dennoch stellt sich die Frage, ob auch andere Wege der Nachnutzung denkbar sind. So lässt sich der Stahl zwar einschmelzen und wiederverwenden, was jedoch wie schon beim Herstellungsprozess der Anlagen selbst nochmals viel Energie erfordert und erneut Emissionen verursacht. Besser wäre es, wenn die Materialien mit möglichst wenigen Arbeitsgängen wiederverwendet werden könnten.

Thomas Hjort, Direktor Innovation von Vattenfall, meint dazu: „Wir suchen nach innovativen Wegen, wie man Materialien aus gebrauchten Turbinen möglichst effektiv wiederverwenden kann. Machen also mit möglichst wenigen Anpassungen etwas Neues daraus. Das spart Rohstoffe und Energieverbrauch und stellt sicher, dass diese Materialien noch viele Jahre nach ihrem ersten Einsatz weiterverwendet werden.“

Im Vorjahr lud Vattenfall deshalb vier Designfirmen ein, über ein zweites Leben für Windkraftanlagen nachzudenken. Das Tiny House wurde von der Firma Superuse konzipiert und entworfen und von Blade-Made und Woodwave ausgeführt. Die ausführenden Unternehmen entschieden sich sogleich für die schwierigste Lösung: den Entwurf eines Hauses, das den Bauvorschriften entspricht, in einer möglichst kleinen Gondel. Die Wahl fiel auf eine V80 2MW-Turbine. Das ist das erste Modell, dessen Gondel groß genug für ein Tiny House ist. Gondeln neuerer Turbinen bieten oft wesentlich mehr Platz. Trotz der begrenzten Abmessungen entspricht das Haus den Bauvorschriften und ist daher uneingeschränkt für Wohn- oder Ferienzwecke geeignet.

Das Tiny House wurde mit nachhaltig produzierten sowie gebrauchten Möbeln ausgestattet, darunter ein Tisch mit Material aus einem recycelten Rotorblatt. Die für den Bau verwendete Gondel stammt von einer Turbine aus dem österreichischen Windpark Gols. Während ihrer 20-jährigen Laufzeit lieferte die Turbine 73 GWh Strom, genug, um rechnerisch den Jahresbedarf von mehr als 29.000 Haushalten zu decken.

Schwimmende Inseln aus Rotorblättern

Neben dem Tiny House realisierte Vattenfall ein weiteres Projekt, bei dem die Rotorblätter einer Windkraftanlage eine tragende Rolle spielen. Erst vor kurzem wurde im IJsselmeer bei Lelystad unweit von Amsterdam eine solche schwimmende Insel aus alten Rotorblättern von Vattenfall testweise zu Wasser gelassen. Der Vorschlag, die Rotorblätter der Turbinen als Schwimmkörper zu nutzen, kam vom Architekturbüro cepezed. Aufgrund ihrer Länge, Festigkeit, Hohlform und ihres geringen Gewichts scheinen sie hierfür ideal geeignet zu sein. Kombiniert man mehrere Blätter, können sie eine Insel bilden, die sich für Wohnhäuser, landwirtschaftliche Flächen oder Solarparks eignet – kurz: neuen Raum in Gebieten, in denen Land knapp ist.

Der Test mit den beiden Rotorblättern sollte vor allem prüfen, ob das Konzept umsetzbar ist. Die 33 Meter langen Rotorblätter stammen von einer alten V66 Vestas-Turbine. Sie wurden zunächst wasserdicht verschlossen und dann aneinander befestigt. Der Test wurde erfolgreich abgeschlossen: Die Rotorblätter schwammen stabil im Wasser.

Thomas Hjort sagt hierzu: „Die Tatsache, dass alte Rotorblätter zu schwimmenden Inseln werden können, auf denen wir leben, arbeiten oder uns erholen können, ist ein schönes Beispiel für unkonventionelles Denken. Mit diesem ersten Test zeigen wir, dass dieses Konzept Möglichkeiten bietet, die wir bisher nicht in Betracht gezogen haben.“

Die Dutch Design Week läuft noch bis zum 27.10. in Eindhoven. Mehr Infos unter ddw.nl


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /