© Passivhaus Institut/ Haus der bayrischen Geschichte - Eingangsbereich
© Passivhaus Institut/ Haus der bayrischen Geschichte - Eingangsbereich

„Ois anders“ – auch das Gebäude!

Das Haus der Bayerischen Geschichte ist das weltweit größte Passivhaus-Museum

© Passivhaus Institut/Das Haus der bayrischen Geschichte punktet nicht nur mit guter Architektur
© Passivhaus Institut/Das Haus der bayrischen Geschichte punktet nicht nur mit guter Architektur

Regensburg - Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg ist das weltweit größte Museum im Passivhaus-Standard. Das imposante Gebäude erhielt vor kurzem das Passivhaus-Zertifikat, auch das Passivhaus Institut war bei der Übergabe vor Ort. Interessant ist: Die Energie für die Wärme- und Kälteversorgung wird durch eine moderne Energiezentrale denkmalverträglich aus dem Abwasser der Stadt Regensburg gewonnen.
An der Fassade wirbt das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg für die aktuelle Ausstellung „Ois anders“ („Alles anders“). In gewisser Weise gilt der Titel auch für das Gebäude selbst. „Wir sind Passivhaus“ sagte Museumsleiter Richard Loibl stolz, als er das Passivhaus-Zertifikat aus den Händen von Bayerns Bauminister Christian Bernreiter erhielt. Mit 7.700 Quadratmetern Energiebezugsfläche ist das Haus der Bayerischen Geschichte nun gleichzeitig auch das größte zertifizierte Passivhaus-Museum weltweit. Das Passivhaus Institut, das die Zertifizierung abschließend geprüft hatte, war bei der Zertifikatsübergabe in Regensburg dabei.

Schwankungen ausgleichen

Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg ging nach drei Jahren Bauzeit 2019 in Betrieb. Bauherr ist der Freistaat Bayern. Den Architekturwettbewerb gewann die Planungsgesellschaft Wörner Traxler Richter, die auch das weltweit erste Passivhaus-Krankenhaus in Frankfurt plante. Von Anfang an stand fest, dass das neue Museum energieeffizient im Passivhaus-Standard realisiert werden sollte. Dafür übernahmen die Passivhaus-Planer von Herz und Lang die energetische Beratung und Bilanzierung. „Die Herausforderung bestand darin, in den Innenräumen gleich bleibende klimatische Bedingungen zu gewährleisten, trotz schwankender Besucherzahlen und unterschiedlicher Temperaturen. Das ist vor allem wichtig, um die Exponate langfristig zu erhalten“, erläutert Esther Gollwitzer vom Passivhaus Institut, die die Zertifizierung geprüft hatte. Viele Besucher = viel Wärme und Feuchtigkeit Hohe Besucherzahlen sorgen für hohe Wärme- und Feuchtelasten. Neben der Vorgabe, komplett auf fossile Energieträger zu verzichten, war das Ziel, im Winter Innenraumtemperaturen zwischen 18 und 20° Celsius sowie im Sommer zwischen 23 und 25° Celsius zu garantieren, und dass bei einer konstanten Luftfeuchtigkeit von 45 bis 55 Prozent. Um Kondensationsprobleme zu vermeiden, waren daher auch die Anforderungen an Bauteile und Bauteilanschlüsse hoch. Darüber hinaus müssen die Sonneneinstrahlung sowie die zusätzlichen internen Wärmelasten berücksichtigt werden, die durch Medientechnik sowie die Beleuchtung der Exponate entstehen.

Wärme und Kälte aus dem Abwasser

Für die Wärme- und Kälteversorgung nutzt das Museum das Wärmepotential der Kanalisation. Die Stadt Regensburg nahm 2018 eine Energiezentrale in Betrieb, deren Wärmepumpen die im Abwasser der 150.000-Einwohner-Stadt enthaltene Energie zum Heizen und Kühlen des Museums bereit stellen. Der Hauptabwassersammler bietet fast das gesamte Jahr über ein konstantes Temperaturniveau. Geheizt und gekühlt wird überwiegend über die Fußbodenflächen im Museum. Spitzenlasten erfolgen über die Lüftungsanlagen mit Wärme- bzw. Kälterückgewinnung. Teilbereiche werden be- und entfeuchtet. Zusätzlich steht eine adiabatische Kühlung (Verdunstungskühlung) zur Verfügung. Im Rahmen der Betriebsoptimierung wurden unter anderem Laufzeiten der Haustechnik, darunter der Lüftungsanlage, reduziert sowie weitere Energieeinsparungen realisiert.

Betrieb optimiert

Seit August 2022 verzeichnet das Haus durch die Optimierung Gesamteinsparungen im Betrieb von monatlich rund 65.000 kWh elektrischer Energie, so veröffentlichte es das Museum in seiner Jahresbilanz 2023. „Diese hohen Einsparungen bei gleichzeitiger Klimastabilität in den Ausstellungsräumen sind nur durch die hochwertige und luftdichte Gebäudehülle möglich, also durch den Passivhaus-Standard. Ein besseres Argument, hohe Energieeffizienz auch in einem Museum umzusetzen, kann es kaum geben“, erläutert Joachim Blaas von Herz und Lang.

Denkmalverträglich

Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer wies darauf hin, dass das moderne Museum nach dem Haus der Musik bereits das zweite Gebäude sei, bei dem die Stadt die Energiegewinnung aus Abwasser möglich gemacht habe. Damit zeige sich erneut, wie gut erneuerbare Energien im historischen Altstadtbereich eingesetzt werden können: Die Nutzung der Abwasserwärme sei in einen bestehenden Kanal integriert und denkmalverträglich.

Bayerns Bauminister Christian Bernreiter erklärte, der hoch effiziente Passivhaus-Standard habe sich nicht nur aus baufachlicher Sicht bewährt. Energieeffizientes Bauen sei ein wichtiger Baustein, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Ziel sei es, den Energieverbrauch und damit auch die Energiekosten im Betrieb zu minimieren, so Bernreiter. Das Museum plane zusätzliche Anpassungen, ließ dessen Direktor Richard Loibl wissen. Der Energieverbrauch solle noch weiter gesenkt und eine Photovoltaikanlage installiert werden, ein Teil der Fassade soll als „grüne Wand“ realisiert werden.

Neben dem Haus der Bayerischen Geschichte mit 7.700 m² Energiebezugsfläche (EBF) gibt es weitere zertifizierte und öffentlich zugängliche Passivhaus-Ausstellungsgebäude. Dazu gehören in China das Technische Erlebniscenter in Qingdao (7.535 m² EBF) sowie das Ausstellungsgebäude in Taizhou (2.462 m² EBF), das Archive and Record Centre (HARC) im britischen Hereford (2.410 m² EBF), ein Autohaus im kanadischen Red Deer (1.542 m² EBF) sowie das Eingangsgebäude des Museumsdorfs Niedersulz in Österreich (1.193 m² EBF). Das Kunstmuseum Ravensburg (1.287 m² EBF) erhielt als erstes Museum bereits 2013 das Passivhaus-Zertifikat und im selben Jahr auch den Deutschen Architekturpreis. Es wurde außerdem beim Passive House Award 2014 ausgezeichnet.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /