Nobody is perfect
Handeln müssen wir trotzdem - wenn geht rasch! Warum es Kompromisse, rasche Entscheidungen und manchmal Mut braucht. - Eine OEKONEWS-Ansichtssache von Chefredakteurin Doris Holler-Bruckner
Eine Veranstaltung diese Woche bei refurbed zum Thema Konsum, Ressourcenverbrauch, Earth Overshoot Day usw. und ein längeres Gespräch mit meinem Sohn haben mich wieder einmal zum Nachdenken gebracht.
Was ist das wirklich perfekte Handeln? Gibt es das in allen Bereichen überhaupt? Wer von uns kann von sich behaupten, wirklich alle Entscheidungen klimagerecht zu treffen?
Egal was wir tun, es beeinflusst unsere Umwelt. Das fängt mit den Entscheidungen des Alltags an, nehmenwir nur Bio, kaufen wir besser regional wenn die Bioprodukte von weit her sind? Was ist tatsächlich besser? Verzichten wir auf die Banane? Nehmen wir nur die Bioparadeiser vom Hofladen oder die selbst angebauten vom eigenen Garten und streichen wir alle anderen? Kaufen wir im Winter überhaupt Paradeiser, auch wenn sie aus Österreich sind? Oder ist es besser die weit gereisten Biotomaten aus Italien zu nehmen? Sollen wir auf alles, was nicht ökologisch ist, einfach verzichten? Essen wir nur selten Fleisch, und wenn dann Bioqualität, oder gar keines? Wenn im Supermarkt, der in der Nähe ist, die Biomilch (noch besser in der Flasche) nicht mehr vorhanden ist, nehmen wir dann die im Tetrapack? Oder- noch schlimmer, es ist Abend und auch diese ist nicht mehr da, nehmen wir normale Milch oder verzichten wir ganz, wenn wir genau wissen, dass ein Familienmitglied einfach keine Haferdrinks oder Ähnliches mag? Trinken wir den Kaffee dann schwarz?
Können wir das Kleid aus der Boutique eines Freundes, von dem wir wissen, dass er nur bei kleinen regionalen Anbietern in Italien und Österreich einkauft, aber nicht immer, woher die Stoffe dafür kommen, überhaupt noch reinen Gewissens kaufen? Sollen wir stattdessen auf mit mehreren Labels ausgestattete und wirklich 100% ökologische Stück von Armed Angels Online kaufen, weil es ein Geschäft mit Produkten von diesem Anbieter in unserer Nähe nicht gibt? Nehmen wir dafür in Kauf, die Bestellung mit den Textilien wieder zurück zu schicken, weil sie nicht perfekt passen?
Sollen wir auf Urlaubsreisen in andere Länder komplett verzichten? Sollen wir niemals im Leben wieder ins Flugzeug steigen, auch wenn es für den Job besser ist, gewisse Kontakte von Zeit zu Zeit live zu treffen oder wenn wir in einem anderen Land wirklich gute Freunde haben, die wir sonst, aus Zeitmangel für eine andere Art der Anreise, nie mehr wieder treffen? (Die Treffen finden ohnehin nur alle paar Jahre statt, in der Zwischenzeit läuft alles online!) Sollen wir überhaupt mit dem Elektroauto in ein anderes Land fahren, wenn wir auch Österreichurlaub mit der Bahn machen können? Kritisch wird es, wenn noch zwei Kleinkinder mit an Bord sind und wir alles mögliche für den Alltag mitschleppen müssen und der Partner einfach das Meer mehr als alle anderen Urlaubsdestinationen liebt. Radurlaub mit Kleinkindern... schon versucht? Gut: Es geht täglich zum Kindergarten mit dem E-Rad und einem Anhänger. Die Nachbarin fährt das alles mit dem Auto!
Solarzaun statt Photovoltaikanlage am Dach, weil die Dachfläche aufgrund des Ausbaus des Obergeschosses einfach zu klein ist? Ökostrom, das ist mal fix. Werden wir Teil einer Energiegemeinschaft für den Rest des selbst erzeugten Solarstroms, auch wenn kaum mehr Überschuss produziert wird, weil das Elektroauto entsprechend getaktet geladen wird und vor Ort ziemlich genau das erzeugt wird, was wir verbrauchen?
Nicht jede/r hat das Privileg, in einem Haus zu wohnen oder sich seinen Wohnort aussuchen zu können. Und einen Balkon für das Balkon Solarmodul gibt´s dort auch nicht. Wohnt er nicht dennoch weit ökologischer in seiner Wohnung mitten in der Stadt? Heiß ist es dort im Sommer- wir haben am Land definitiv mehr Wohnkomfort - und täglich ins Büro in die Stadt geht es seit Corona und Homeoffice sowieso nicht mehr. Wollen wir wirklich entvölkertes Land und nur Stadtbewohner und -Bewohnerinnen?
Wie investieren wir? Ökologische Investments... klar, gibt´s genug. (z.B. Erneuerbare Energiebranche- Anleihen oder Aktien auf den Handelsplätzen jener österreichischen Firmen, die in Wind- und Solarenergie investieren). So manche hören jedoch nur auf ihre Bank.. und meinen nur "fossil ist es nicht".
Diese Entscheidungsfragen des Alltags könnten wir endlos fortsetzen.
Ich gebe ehrlich zu: Ich verzichte auf manches nicht! Ich liebe nichts mehr als Langstreckenfahrten mit dem Elektroauto um dabei andere Länder zu entdecken und vor allem andere Menschen zu treffen, die für Veränderung stehen. Ich fliege manchmal für den Job, unterstütze im Gegenzug dafür ein Herzensprojekt in Marokko mit jenem Geldwert oder sogar mehr, der meinem CO2 Ausstoß entspricht. Ich verzichte zwar fast immer auf Fleisch, aber ich liebe Fisch- immerhin ist die letzten Jahre dieser fast nur aus Österreich, Bio... wenn dieser irgendwie in der Nähe zu bekommen ist. Wenn ich Gusto auf eine Banane habe, dann kaufe ich sie, nicht immer, aber manchmal. Unsere Paradeiser sind im Sommer meist aus dem eigenen Garten, im Winter kaufe ich manchmal trotzdem welche ein, zwar nicht immer, aber hie und da, wenn sie mich förmlich anlachen!
Ich kaufe jede Menge Produkte, die ich brauche, gebraucht: Willhaben ist z.B. eine gute Quelle- der Staubsauger oder ein Möbelstück bekommt so ein 2. Leben, und mein Tablet auch. Dafür brauche ich jedoch meist mehr Zeit. Ein Onlineeinkauf wäre oft schneller, oder eine Fahrt ins nächste Einkaufszentrum.
Ein Secondhandladen mit "Fancy-Fashion"-Dingen hat es mir angetan, wenn ich im Frühjahr auf eine Konferenz bin, das Kleid aus der Boutique eines Freundes wird es eher und nicht das erwähnte Öko-, dafür aber Online bestellte Stück.
Ich mache sicher genug Fehlentscheidungen im Alltag, manche bewusst, oder in der Eile, oder aus Bequemlichkeit. Aber sehr oft überlege ich, was ich konsumiere.
Bei der refurbed Veranstaltung gab es außerdem einen Appell dazu, immer wählen zu gehen, oder sich einzumischen, wenn schon sonst nicht so zumindest auf diese Art die Stimme zu erheben, sich nicht nur aufzuregen über etwas, das uns nicht passt.
Das sollten wir auf alle Fälle tun, denn die Entscheidungen der Politik können wir doch noch mit beeinflussen, wenn wir nicht die Hände einfach in den Schoss legen und den lautesten Schreiern das Feld überlassen.
Ich mische mich immer wieder ein, versuche mit Projekten und dem Erreichen von Menschen Veränderung - seit vielen vielen Jahren, in der Region, in Österreich, in Europa... sogar darüber hinaus. "Passion für´s große Thema", auch Online hier auf OEKONEWS.
"Nobody is perfect!" Falls ja: Bitte melden!! Ich habe nachgedacht: Ich weiß niemanden aus meinem Umfeld, der alles 100% richtig macht und vollends umsetzt.
Trotzdem ist es wichtig, anzufangen, Schritt für Schritt weiter zu gehen, einzelne Bereiche und Projekte umsetzen. Dort die richtigen Entscheidungen treffen! NICHT den Kopf in den Sand stecken! Stehen wir auf für Veränderung, leben wir sie, denn damit passiert sie! Erzählen wir anderen von großartigen umgesetzten Projekten, von Firmen, die in ihrem Geschäftsbereich die Welt verändern. Von Menschen, die aufstehen und Veränderung einfach leben, die nicht immer gleich alles auf einmal erreicht haben, aber Schritt für Schritt einfach weiter umsetzen!
DANKE an alle Umsetzer und Umsetzerinnen! Ihr seid großartig!
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /