© Gerd Altmann pixabay.com
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EY-Parthenon-Studie: Soziale Nachhaltigkeit im privaten und öffentlichen Bereich

70 Prozent der Führungskräfte österreichischer Unternehmen und Organisationen halten Soziale Nachhaltigkeit für wichtig – Maßnahmen konzentrieren sich derzeit jedoch auf Mitarbeitende

Wien - Das Thema Soziale Nachhaltigkeit hat eine wichtige Rolle in Österreichs Führungsebenen: I 29 Prozent der Führungskräfte halten es für sehr, weitere 41 Prozent für eher wichtig. Der Großteil ist somit der Meinung, dass Soziale Nachhaltigkeit für den weiteren Unternehmenserfolg essenziell ist.

So die Ergebnisse einer Studie von EY-Parthenon, der Strategieberatung von EY, für die im Herbst/Winter 2023 174 Führungskräfte aus österreichischen Organisationen des privaten und öffentlichen Sektors befragte.

Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens wird immer wichtiger. "Es ist also höchste Zeit, sich als Führungskraft detailliert mit den Anforderungen auseinanderzusetzen und sich dem Thema Sozialer Nachhaltigkeit auch unternehmensstrategisch und organisatorisch zu widmen“, betont Dr. Christian Horak, Partner bei EY-Parthenon. „Sich strategisch mit Sozialer Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und Maßnahmen einzuführen ist kein ‚nice to have‘, sondern absolut essenziell für den weiteren Unternehmenserfolg. Auch wenn die österreichische Unternehmenslandschaft bereits gut informiert und gerade im Bereich Maßnahmen für Mitarbeitende gut aufgestellt ist, gibt es in vielen Bereichen Aufholpotenziale, die es dringend gilt, auf die Straße zu bringen.“

Der ehemalige WIFO-Chef und aktuelle Präsident des österreichischen Fiskalrats Prof. Dr. Christoph Badelt ergänzt: „Wir stehen gewissermaßen an einem Wendepunkt und müssen uns aus gesamtwirtschaftlicher und auch gesellschaftlicher und politischer Perspektive klar werden, dass soziale Nachhaltigkeit eine notwendige Bedingung für eine wohlstandsgerechte künftige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist und daher nicht nur eine freiwillige Übung sein kann, um ethischen Ansprüchen zu genügen.“

Aufholbedarf bei Strategie und Organisationsstruktur

Bei erst 18 Prozent der Organisationen ist das Thema Soziale Nachhaltigkeit bereits umfassend in die Organisationsstrategie integriert, bei 43 Prozent zumindest teilweise. Bleiben noch fast vier von zehn Unternehmen, bei denen das nicht der Fall ist – wobei knapp die Hälfte davon plant, Soziale Nachhaltigkeit in den nächsten zwei Jahren zum Bestandteil der Strategie zu machen.

Christina Gobin-Reider, Senior Consultant bei EY-Parthenon und Studienautorin, zeigt auf: Nur ein Viertel der Organisationen (23 %) hat eine:n Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Bei ebenso vielen Unternehmen (22 %) werden die Agenden ressortübergreifend bearbeitet. Während in einigen Unternehmen Projektteams, bestimmte Abteilungen oder die Geschäftsführung zuständig sind, gibt es in 17 Prozent der Organisationen noch gar keine verantwortlichen Personen.

Hauptzielgruppe Mitarbeitende: flexible Arbeitszeit als meistumgesetzte Maßnahme

Klarer Fokus im Bereich Soziale Nachhaltigkeit liegt auf den eigenen Arbeitskräften, gefolgt von Arbeitskräften in der gesamten Wertschöpfungskette und Konsument:innen. Dementsprechend legen auch die gesetzten Maßnahmen der teilnehmenden Organisationen einen starken Schwerpunkt auf die eigenen Workforce: 78 Prozent haben bereits Maßnahmen für eine angemessene/flexible Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben umgesetzt. Fast drei Viertel (73 %) fördern die Gesundheit des Personals, etwa zwei Drittel (69 %) setzen auf angemessene Löhne und Gehälter und 63 Prozent konzentrieren sich auf Gleichbehandlung und Chancengleichheit. Stakeholder außerhalb der eigenen Workforce erhalten noch weniger Beachtung: Weniger als die Hälfte (45 %) setzen Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit von Endverbraucher:innen um, und nur eine:r von drei (34 %) kümmert sich um angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitskräfte außerhalb des Unternehmens, aber innerhalb der Wertschöpfungskette.

„ESG sieht aber eine Reihe weiterer Kriterien vor, die eindeutig bei österreichischen Unternehmen eine größere Beachtung verdienen, als sie derzeit haben – Stichwort Nicht-Diskriminierung und Zugang zu Produkten. Dazu zählen zum Beispiel die Berücksichtigung spezieller Rechte von betroffenen, indigenen Bevölkerungsgruppen, die Unterstützung der sozialen Eingliederung von Verbrauchenden, die Förderung der Diversität von Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette und viele mehr“, so Johannes Zitterl, Senior Consultant bei EY-Parthenon.

Sowohl im Profit- als auch im Non-Profit-Bereich wird die Zielerreichung der gesetzten Maßnahmen in Sozialer Nachhaltigkeit nur teilweise gemessen. Nur drei Prozent aller Befragten gaben an, die Zielerreichung wirklich umfassend zu messen.

„Dort, wo die Messung von Maßnahmen leichter fällt, nämlich bei den eigenen Arbeitskräften, wird sie tendenziell auch stärker verfolgt“, erklärt Gobin-Reider. So messen 44 Prozent die angemessene/flexible Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Immerhin 39 Prozent sehen die Angemessenheit der Löhne und Gehälter sowie die Auswirkungen der Maßnahmen zur Förderung von Gesundheit und Sicherheit des Personals genau an. „Auch hier zeigt sich, dass externe Zielgruppen wie Endverbraucher:innen weniger stark im Fokus stehen. Nur 15 Prozent der österreichischen Organisationen prüfen genau, ob Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Verbrauchenden bei der Nutzung der Produkte Früchte tragen.“

Gesetzliche Regularien und Kostenfaktor größte Herausforderungen

Insgesamt halten österreichische Unternehmen und Organisationen gesetzliche Regularien, hohe Kosten bzw. fehlende Liquidität und das gegebene Angebot von zuliefernden Unternehmen für die größten Herausforderungen, um Soziale Nachhaltigkeit zielgerichtet umzusetzen. Jede zweite Führungskraft (49 %) nennt zu viele, zu komplexe gesetzliche Vorgaben als größte Hürde, 39 Prozent geben hohe Kosten bzw. fehlende Liquidität als größte Schwierigkeit an. 30 % nennen das Beschaffungswesen, insbesondere das Angebot von Zuliefernden, als Stolperstein. Etwa ein Viertel bezeichnet fehlende Information/fehlendes Wissen in der Organisation und die Problematik der Vereinbarkeit Sozialer Nachhaltigkeit mit den unternehmerischen Zielen als Hürde.

Bedeutung Sozialer Nachhaltigkeit bei öffentlicher Vergabe steigt

Fast die Hälfte ist der Meinung, dass Kriterien der Sozialen Nachhaltigkeit im Vergaberecht (bei öffentlichen Projekten) künftig eine sehr große Rolle spielen werden, 37 Prozent sehen immerhin eine große Rolle.



Fast drei Viertel der Befragten (72 %) sind der Ansicht, dass Digitalisierung Soziale Nachhaltigkeit unterstützen kann – neun Prozent sehen darin sogar eine entscheidende Voraussetzung.

„Soziale Nachhaltigkeit in die Strategie zu integrieren, zu leben und auch zu messen wird als entscheidender Erfolgsfaktor in der zukünftigen Ausrichtung von Organisationen gesehen. Um auf Augenhöhe im Mitbewerb zu bleiben, empfiehlt es sich, bei den Maßnahmen über den Tellerrand der internen Workforce hinauszublicken und auch externe Stakeholder stärker in den Fokus zu rücken. Die Verschränkung von Digitalisierung mit Sozialer Nachhaltigkeit kann hier entscheidend helfen. Die ersten Schritte sind gesetzt, jetzt gilt es, dran zu bleiben und die Bemühungen weiter zu verstärken“, schließt Horak.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /