© Fridays For Future / Klimastreik
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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Die Ruhe nach dem Sturm"

von Matthias Christler - Ausgabe vom Samstag, 16. September 2023

Am Höhepunkt der Klimastreiks marschierten Zehntausende durch Innsbruck. Obwohl die Zeit noch mehr drängt, flaut das Interesse ab. Schuld ist nicht "Fridays For Future", auch nicht die "Letzte Generation", sondern fehlende Idole.

Es wäre wieder einmal Zeit, dass in Österreich Geschichte für die Umwelt geschrieben wird. So wie vor 60 Jahren, als der heimische Ableger des WWF gegründet wurde und später half, das Donaukraftwerk Hainburg zu verhindern. Oder wie vor 45 Jahren, als das Kernkraftwerk Zwentendorf nach massiven Protesten "grüner" Bürger stillgelegt wurde. Oder wie vor 40 Jahren Greenpeace in Österreich aktiv wurde, jene Organisation, deren Unterstützer ihr Leben für die Umwelt aufs Spiel setzen - das vom französischen Geheimdienst versenkte Schiff "Rainbow Warrior" ist ein trauriges Symbol für den Kampf von Umweltschützern gegen die Interessen von Politikern. Und 2023? Das Jahr, in dem Waldbrände, Überflutungen und andere Katastrophen fast zu den alltäglichen Nachrichten gehören - es wird viel über das Klima diskutiert, aber die falschen Fragen aufgeworfen. Bei Aktionen der "Letzte Generation" heißt es nur: Darf ziviler Ungehorsam so weit gehen? Und bei "Fridays For Future" hört man oft: Ist der Hype vorbei?

Vor fünf Jahren schwänzte Greta Thunberg zum ersten Mal die Schule, um für das Klima zu streiken. Sie stellte sich als Galionsfigur einer neuen Generation von Umweltschützern in den Vordergrund. Am Höhepunkt der Proteste im Jahr 2019 marschierten 20.000 Menschen durch Innsbruck. Es war wie ein Sturm, der durch die Straßen fegt und die Menschen wachrüttelt. Doch jetzt ist Ruhe eingekehrt. Die Corona-Pandemie bremste die Bewegung ein. 2020 kamen 1000 Menschen in Innsbruck zusammen, vor einem Jahr waren es 650, diesmal wieder etwas mehr. "Fridays For Futur­e" ist älter geworden, breiter aufgestellt. Eltern und Forscher unterstützen die Anliegen, auch die "Omas For Future". Nur Schüler waren gestern in Innsbruck wenige vor Ort. Entweder der Kampf gegen den Klimawandel interessiert sie nicht. Kaum zu glauben. Ihnen fehlt eher die Hoffnung, etwas bewegen zu können. Es ist eben auch eine Motivationsbremse, wie in Österreich der Klimaschutz angegangen wird.

Es ist nicht genug, wenn ein Klimarat eingesetzt wird. Und die 93 Empfehlungen in der Schublade verschwinden.

Es ist nicht genug, wenn sich ein junger österreichischer Ski-Profi für nachhaltigen Sport einsetzt. Von den großen Stars, zu denen die Jungen aufschauen, kommt wenig.

Es ist nicht genug, wenn sich Politiker mit den Fridays-Demonstranten austauschen. Aber die Klimakleber werden an den Pranger gestellt und ins kriminelle Eck gedrängt.

In Österreich gibt es gute Ansätze und viele Menschen, die etwas ändern könnten. Nur fehlen die Galionsfiguren, echte Idole aus allen Teilen der Gesellschaft, die vorangehen. Um wieder einen neuen Sturm zu entfachen, weil der Klimaschutz einfach nicht zur Ruhe kommen darf.

Quelle: Tiroler Tageszeitung


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /