© Leonhard Lenz
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Frankreich und die Taxonomie: Ein Geschäft mit Atomkraft

Nun haben die EU-Mitgliedsländer ihre Stellungnahmen zur Taxonomie abgegeben - Warum Frankreich Atomkraft "nachhaltig" einstufen will

Atomkraft ist schon die längste Zeit unwirtschaftlich - ohne Subventionen aus den unterschiedlichsten Bereichen könnte sie nicht überleben. Es beginnt schon mit neuen Kraftwerksbauten: Diese sind nicht nur von den Bauzeiten ein Dilemma, auch die Kosten steigen und steigen ins Unendliche. Das war so beim finnischen Atomkraftwerk Olkiluoto, und genauso ist es in Flamanville in Frankreich beim EPR-Reaktor.

Wirft man einen Blick hinter die Kulissen, so profitiert von einer Einstufung von Atomkraft als nachhaltig und grün in der Taxonomie der EU (grünes Siegel der EU zur nachhaltigen Finanzierung) vor allem Frankreich und im ganz besonderen der französische Energiekonzern EDF, dessen größter Aktionär und Mehrheitseigentümer der Staat Frankreich ist. EDF könnte, wenn Atomkraft als nachhaltig behandelt werden, seine alten Kraftwerke, die gerade in letzter Zeit immer wieder Probleme bereiten, sanieren und außerdem in neue Kraftwerke, wie jenes in Flamanville, investieren. EDF ist Eigentümer der 56 Atomkraftmeiler in Frankreich, auch die 14 alten Reaktoren, die außer Betrieb sind, gehören EDF. Aber das ist nicht alles: Mehr oder weniger jedes geplante oder angedachte neue Atomkraftwerk der EU, beispielsweise in Tschechien oder in Polen, wird ebenfalls im Hintergrund von der Nähe zur EDF dominiert. Frankreich ist auch jenes Land mit dem höchsten Atomanteil Europas. Eigentlich hatte man in Frankreich bereits unter Präsident Francois Hollande den langsamen Atomausstieg beschlossen. Unter Emmanuel Macron wurden aber diese Pläne im Jahr 2020 verschoben und nun werden Laufzeiten von 60 Jahren für die bestehenden Reaktoren angestrebt.

Zwischen 2019 und 2025 wird die Hälfte der 58 französischen Kernreaktoren das Alter von 40 Jahren erreichen. Um sie weiterhin betreiben zu können, müssen sie renoviert und auf entsprechende Sicherheitsstandards gebracht werden. Im Vorjahr wurden dafür, laut EDF, Kosten von rund 55 Milliarden Euro bis 2025 veranschlagt, die sich aber, laut einem Bericht des französischen Rechnungshofes aus dem Jahr 2016, in Wahrheit auf 100 Milliarden Euro bis 2030 belaufen. Dazu kommen die immer weiter steigenden Kosten des EPR-Standorts Flamanville, die sich immer mehr zu einem Albtraum entwickeln: Statt der ursprünglich prognostizierten Kosten von 3Milliarden Euro war Ende des Vorjahres schon von Kosten in Höhe von 12,7 Milliarden Euro die Rede. EDF hat aber keine Mittel, um alle diese Ausgaben zu decken. "Ende 2018 betrug die Nettofinanzverschuldung 33,4 Milliarden Euro bei einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 15,3 Milliarden Euro. „ Die Bruttoverschuldung, eine nicht manipulierbare Zahl, beläuft sich auf 69 Milliarden Euro, präzisiert Alix Mazounie von Greenpeace. Und EDF verkaufte nach und nach alle Familienjuwelen, die es abstoßen konnte, nur um die Bilanzen irgendwie zu stabilisieren. Der Free Cash Flow [freier Cash Flow, den das Unternehmen nutzt, um neue Investitionen aufzubauen, Dividenden zu zahlen und Schulden abzubauen] war elf Jahre in Folge negativ, bis 2018. Wenn EDF nicht in die chronische Insolvenz geriet, dann nur dank der Unterstützung des Staates. Letzterer hat das Unternehmen bereits 2017 rekapitalisiert; aber nach europäischen Regeln ist diese Rettung nicht ohne Umstrukturierung möglich." wie "Sortir du Nuclear" eine französische NGO, berichtet.

Genau dieser Konzern, EDF, wäre der große Gewinner der Taxonomie.
Und woher kommt nun die zweite Idee, die fossile Energie Erdgas ebenfalls als grün einzustufen? Olaf Schulz, der jetzige deutsche Kanzler wollte, als er Finanzminister war, Gas als "grüne" Brückentechnologie eingestuft, um neue deutsche Gaskraftwerke, die in der Zwischenzeit auch alles andere als wirtschaftlich sind, leichter finanzieren zu können. Das Problem ist aber, das beide Technologien nur dann eine Chance haben, wenn neues als "grün" deklariertes Geld ihnen diese gibt.

Kein Wunder also, dass man sich sowohl in Frankreich als auch bei EDF über die geplante Einstufung von Atomkraft als nachhaltig freuen würde. Es ist fix, das es ohne diese Möglichkeit wahrscheinlich nicht möglich ist, die Atompläne in Frankreich weiterzuführen, einfach weil erneuerbare Energien schon lange günstiger sind.

Kein Wunder, das ein breites NGO-Bündnis (bestehend aus BUND, Campact, Deutsche Umwelthilfe, Bürgerbewegung Finanzwende, Greenpeace, IPPNW, NABU, Umweltinstitut München und Uranium Network) gemeinsam die deutsche Regierung aufgefordert, die aktuellen Taxonomie-Pläne der EU-Kommission zu verhindern.

Sie meinen: “Wir fordern die Ampel-Regierung auf, ihre Stellungnahme zu den Taxonomie-Plänen der EU-Kommission offenzulegen. Es geht hier um Transparenz bei wichtigen Entscheidungen über den Klima- und Umweltschutz. Andernfalls verspielt die amtierende Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit. Zudem dürfen Olaf Scholz und seine Regierungspartner das starke Signal aus der Zivilgesellschaft nicht länger wegschweigen. Über 330.000 Menschen fordern mithilfe unseres Appells die klare Ablehnung einer EU-Taxonomie, die Atom und Gas als nachhaltig einstuft. Olaf Scholz muss Farbe bekennen, wie ernst es ihm mit echtem Klima- und Umweltschutz ist.”



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /