© Greenpeace Christian Steiner / Greenpeace bei einer Aktion am Rathaus in Wien gegen die Lobau-Autobahn
© Greenpeace Christian Steiner / Greenpeace bei einer Aktion am Rathaus in Wien gegen die Lobau-Autobahn

Aus für den Lobau-Tunnel: Eine Entscheidung für kluge Mobilität statt für Autos

Ein Schritt, der eine immense Chance für umweltfreundliche Neuplanung der Mobilität in der Ostregion Österreichs bringt

Im Vorjahr wurde von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler eine Evaluierung des ASFINAG-Bauprogramms beauftragt, mit der alle geplanten Neubauprojekte auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft wurden. Die Ergebnisse der umfangreichen Überprüfung aller geplanten größeren Straßenbauprojekte in Österreich wurden heute präsentiert und zeigen auf, dass für zukunftsfähige Klimapolitik endlich umdenken notwendig ist, statt an Jahrzehnte alten Planungen festzuhalten. Expertinnen und Experten des Klimaschutzministeriums und der ASFINAG sowie externe Wissenschafterinnen und Wissenschafter des Umweltbundesamts unterzogen das ASFINAG-Bauprogramm in den vergangenen Monaten einem eingehenden Klimacheck.

"Reden allein reicht im Klimaschutz nicht. Wir müssen aktiv werden und Dinge verändern. Dazu gehört auch zu erkennen, dass manche Entscheidungen, die vor zwanzig oder dreißig Jahren noch richtig gewirkt haben, heute nicht mehr vernünftig sind. Das zeigt uns auch der Klimacheck des ASFINAG-Bauprogramms. Für den Klimaschutz, den Schutz unserer wertvollen Böden und für die Zukunft unserer Kinder braucht es ein anderes Bauprogramm." so die Ministerin.

"Was wir jetzt bauen, soll uns helfen die Klimaneutralität 2040 zu erreichen und unsere wertvollsten Böden zu schützen. Wir müssen Großprojekte auf diese Fragen überprüfen, und schauen ob sie in Zukunft noch vernünftig sind. Wenn wir heute falsche Entscheidungen treffen, werden nicht nur Milliarden an Steuergeld vergraben, sondern auch die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder verbaut," meinte Leonore Gewessler.

Inhaltlich zeigt sich für die Auswirkungen von Straßengroßprojekten, dass der Ausbau des Straßennetzes immer auch zu mehr Verkehr führt. Mehr Autos bedeuten in weiterer Folge auch einen Anstieg von klimaschädlichen Treibhausgasen und sorgen außerdem oft zu einer stärkeren Belastung mit Lärm und Stau.

Die Ergebnisse der Evaluierung im Überblick:

Die Lobau-Autobahn und der Tunnel durch das Naturschutzgebiet der Donauauen wird nicht weiterverfolgt.

Für den Nordabschnitt der S1 werden Alternativen geprüft, um den geänderten Anforderungen im Zusammenhang mit den Gerichtsentscheidungen zu S8 Folge zu tragen.

Die S34 wird nicht in der geplanten Form umgesetzt – gemeinsam mit dem Land Niederösterreich sollen bessere Alternativen erarbeitet werden, die die Bevölkerung vom Stau entlasten und wertvolle landwirtschaftliche Flächen erhalten.

Wenn die Stadt Wien den Bau der Stadtstraße weiter vorantreibt, wird auch die ASFINAG die für den Wohnungsbau notwendigen Abschnitte der Spange errichten.

Ein guter Tag für den Klimaschutz

Die Umweltganisation GLOBAL 2000 begrüßt die Entscheidung zur Absage der Lobau-Autobahn: "Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz! Die Lobau-Autobahn ist ein uralt-Projekt aus der verkehrspolitischen Steinzeit. Die Stadt Wien hat nun DIE Chance zukunftsorientierte und klimafreundliche Lösungen zu entwickeln. Milliardengelder sind viel besser in den Ausbau von Bahn, Bus und Radwegen investiert, als in teure und veraltete Autobahnprojekte. Wir fordern Bürgermeister Ludwig auf, nun auch die Stadtstraße zu überdenken, damit der Weg für eine zukunftsfähige Mobilitätspolitik frei wird und das Ziel der Stadt Wien, bis 2040 klimaneutral zu werden, auch tatsächlich erreicht werden kann", so Agnes Zauner, Geschäftsführerin von GLOBAL 2000.

Uralte Autobahnprojekte sind nicht mehr zeitgemäß. Seit 1990 sind die Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich um 75 Prozent gestiegen. Statt einer Reduktion des Autoverkehrs, würde die Lobau-Autobahn mehr motorisierten Verkehr provozieren und den Nationalpark gefährden: Die Lobau-Autobahn ist nicht nur ein klimaschädliches Projekt, es würde gerade für die Bevölkerung Wiens zu einer Verkehrslawine durch Transit- und Pendelverkehr kommen. GLOBAL 2000 fordert die geplante Stadtautobahn ebenfalls umzuplanen. "Es gibt jetzt die Chance, die hohe Lebensqualität in Wien zu erhalten und noch schöner zu leben, anstatt ein völlig rückschrittliches Projekt fortzuführen. Bürgermeister Michael Ludwig kann jetzt zeigen, dass er bereit ist, konstruktiv an Lösungen zu arbeiten, anstatt wider besseren Wissens an fehlgeleiteten Projekten der Vergangenheit festzuhalten", so Agnes Zauner.

"Bürgermeister Ludwig ist jetzt gefordert, die Verkehrswende in Wien voranzutreiben!"

Die Grüne Jugend begrüßt das Aus des Lobautunnels. "Klimaministerin Leonore Gewessler hat den geplanten Bau des klimaschädlichen Großprojekts verhindert. Über Jahre haben wir hart dafür gekämpft, dass dieser Alptraum aus Beton in der Lobau gestoppt wird", freut sich Clara Schmidt, Sprecherin der Grünen Jugend Wien. "Die Absage des Lobautunnels haben wir vielen mutigen AktivistInnen und Klimaministerin Gewessler zu verdanken", so Schmidt weiter.

"Wir brauchen jetzt einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs! Hier ist die Wiener Stadtregierung in der Pflicht, umfassende Investitionen zu tätigen. Konzepte gibt es bereits seit Jahren", gibt Schmidt zu bedenken. Gerade bei Bürgermeister Ludwig brauche es ein rasches Umdenken. Die Grüne Jugend fordert höhere Investitionen in die Öffis durch die rot-pinke Koalition im Rathaus, um zeitnah eine klimafreundliche Verkehrslösung für Wien zu finden.

Erste Evaluierung nach 11 Jahren leitet Ende der "Alt-Betonzeit-Relikte" ein

Hoch erfreut zeigt sich Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS: "Seit Jahrzehnten zeigen wir auf, dass derartige Projekte nicht mehr gebaut werden können. Nun hat die mutigste Verkehrsministerin in der Geschichte der Republik die Mühlstein-Autobahnprojekte abgesagt und damit Österreich, das bisher beim Klimaschutz versagt hat wieder eine Zukunft geöffnet."

Dass die bekannt klimaschädlichen Vorhaben S1 Lobau-Autobahn, samt Lobautunnel und S8 Marchfeld-Schnellstraße, nicht zu Verkehrsentlastung führen bei einem ernsthaften Check durchfallen müssen, sei keine Überraschung. "Bei der mit europäischen Naturschutzrecht in Konflikt stehenden S8 haben wir soeben den Bescheid gekippt, jetzt müssen Alternativen beim öffentlichen Verkehr und beim niederrangigen Straßennetz geprüft werden. Es braucht dafür auch keinen teuren Autobahnknoten mit der S1", so Rehm. "Der Ball liegt nun bei Ludwig, Sima und Czernohorsky, die entscheiden müssen, ob sie weiter ihren Wohnbau selbst mit dem Festhalten an Betonprojekten sabotieren wollen oder sich aus dieser Zwangsvorstellung lösen können. Sie sollten der Weisheit von Ex-Bürgermeister Slavik, der die Gürtel und Wientalautobahnen abgesagt hat, folgen und endlich das Entwicklungsland Donaustadt klimafit machen und verkehrlich modernisieren", meint Rehm.

Absage der Lobau-Autobahn beendet Betonpolitik und läutet neue Ära für Klima und Natur ein

Als eine "bahnbrechende Entscheidung für den Schutz von Natur und Klima" begrüßt Greenpeace den Projektstopp der Lobau-Autobahn. Die Absage gibt den Startschuss für eine echte Verkehrswende in Österreich. Das Ende des Lobautunnels sichert den einzigartigen Lebensraum des Nationalparks Donau-Auen für zukünftige Generationen. Auch der klimaschädliche Nordteil des Projekts, der Wiens fruchtbarste Böden unwiederbringlich zerstören würde, wird komplett überarbeitet. Auch Greenpeace fordert vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, die völlig überdimensionierte Stadtstraße fallen zu lassen und öffentliche Verkehrsmittel sofort auszubauen.

"Das Ende der Lobau-Autobahn ist ein Sieg der Vernunft und der Wissenschaft über eine aus der Zeit gefallene Betonierer-Mentalität. Mit ihrer Entscheidung läutet Klimaministerin Leonore Gewessler eine neue Ära ein: Der Schutz von Klima, Natur und fruchtbaren Böden erhält den Stellenwert bei politischen Entscheidungen, den er angesichts der akuten Klima- und Artenkrise haben muss", begrüßt Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit die Absage. Und weiter: "Das Aus der Lobau-Autobahn ist ein Erfolg für Natur und Klima. Und es ist ein Erfolg für die zahlreichen jungen Klimaschützerinnen und Klimaschützer, die sich seit Monaten und Jahren gegen dieses Wahnsinnsprojekt stemmen - von der Besetzung der Baustellen in Wien bis hin zur Besetzung des Rathauses durch Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten."

Bereits 2006 besetzten AktivistInnen der Umweltschutzorganisation erstmals über mehrere Wochen die Lobau, um gegen Probebohrungen der ASFINAG zu protestieren. Seite an Seite mit der jungen Klimaschutzbewegung und engagierten BürgerInneninitiativen setzte sich die Umweltschutzorganisation auch in den vergangenen Monaten gegen Stadtstraße und Lobau-Autobahn ein.

Aus für Lobau-Tunnel ist Meilenstein für Klima- und Bodenschutz

Der WWF Österreich bewertet die Absage des Lobau-Tunnels als wichtigen Meilenstein für mehr Klima- und Bodenschutz in Österreich. "Der Lobau-Tunnel hätte ein unersetzliches Naturparadies gefährdet und sämtliche Klimaziele konterkariert. Die dafür vorgesehenen Milliarden hätten wertvollen Boden zerstört und wären insgesamt völlig falsch investiert worden", sagt WWF-Programmleiterin Hanna Simons. "Die Umweltrisiken sind viel zu groß und auch die von der Stadt Wien behauptete Verkehrsentlastung wäre so nie eingetreten. Wissenschaftlich ist es längst erwiesen, dass neue Autobahnen und Schnellstraßen immer auch mehr Verkehr anziehen", sagt Hanna Simons.

Die vor über 20 Jahren geplante Lobau-Autobahn ist laut WWF ein besonders negatives Beispiel für jahrzehntelange Versäumnisse in der Raumordnung und Verkehrsplanung. Neben dem Stopp neuer Schnellstraßen und Autobahnen fordert die Umweltschutzorganisation daher einen übergeordneten Bodenschutz-Vertrag von Bund, Ländern und Gemeinden, um den Bodenverbrauch von durchschnittlich 11,5 Hektar pro Tag einzudämmen. "Der Verkehrssektor befeuert den Flächenfraß und verursacht ein Drittel der Treibhausgasemissionen. Darüber hinaus wird unsere Gesundheit durch Hitzestaus, Lärm und Luftverschmutzung belastet", warnt WWF-Programmleiterin Hanna Simons. Der WWF fordert die Stadt Wien und alle anderen Bundesländer dazu auf, ihre autozentrierte Verkehrspolitik zu beenden und stattdessen primär öffentliche Verkehrsmittel und die Rad-Infrastruktur auszubauen.

Zukunftsfitte Verkehrspolitik gefordert: "Autobahnprojekte von heute sind Altlasten von morgen"

Die Menschenrechtsorganisation Südwind begrüßt ebenfalls das Aus für den Lobautunnel und fordert eine stärkere politische Teilhabe für junge Menschen. "Die Entscheidung von Klimaministerin Leonore Gewessler ist ein großer Erfolg für die monatelangen Proteste junger Menschen in der Lobau und ein wichtiger Schritt für eine nachhaltige Mobilitätswende", sagt Merle Weber, Sprecherin für Klimagerechtigkeit bei Südwind. "Die Autobahn-Projekte von heute sind die klimaschädlichen Altlasten von morgen. Im Sinne der Klimagerechtigkeit muss die Politik auf höchster Ebene die Zukunftssorgen junger Menschen endlich ernstnehmen. Der Baustopp für den Lobautunnel muss eine Trendwende einläuten hin zu einer klimagerechten, zukunftsfitten Verkehrspolitik im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel."

Der Verkehr ist das größte Sorgenkind der österreichischen Klimabilanz. Während die Emissionen in fast allen Sektoren sinken, steigen sie im Verkehrsbereich. "Damit Österreich seinen internationalen Klimaschutzverpflichtungen endlich nachkommt, müssen wir dringend runter vom Gaspedal. Es kann nicht sein, dass in einem Land mit einem der dichtesten Straßennetze Europas weiterhin wertvolle Natur großflächig verbaut und klimaschädliche Abgase auf Generationen einzementiert werden", so Südwind-Sprecherin Weber. Um teuren Fehlplanungen wie dem Lobautunnel künftig besser vorzubeugen, fordert Südwind eine Stärkung der politischen Teilhabe von jungen Menschen, die in Jugendräten mit dem Status von Sozialpartner*innen ausgestattet und verpflichtend in die politische Entscheidungsfindung eingebunden werden sollten.

Eine historische und zukunftsweisende Entscheidung für die Rettung der Lobau

Nationalrat Lukas Hammer meint: "Was mit der Besetzung der Hainburger Au und der darauf erfolgten Errichtung des Nationalparks begonnen hat, findet jetzt eine würdige Fortsetzung. Die Lobau, die durch den Bau eines 50 Meter breiten Tunnels massiv gefährdet worden wäre, bleibe nun das für zehntausende Wiener*innen so wichtige Paradies vor den Toren der Stadt."
"Mit Weitblick handeln, anstatt Chancen langfristig verbauen"


Hermann Weratschnig, Verkehrssprecher der Grünen, zeichnet ein klares Bild für die Verkehrswende: "Wir können nicht von Masterplänen und Klimaschutzzielen reden und gleichzeitig zuschauen bis uns das Wasser bis zum Hals steht. Es kann nicht Ziel einer zukunftsfähigen und klimagerechten Verkehrspolitik sein, dem immer weiter steigenden Transitverkehr mit neuen Hochleistungsstraßen einen roten Teppich auszurollen," so der Tiroler Nationalratsabgeordnete, der selbst jahrelang in der Anti-Transit-Bewegung aktiv war.

"Niemand will im Stau stehen, egal ob auf alten oder neuen Straßen", verweist Weratschnig auf einen umfangreichen Ausbau des öffentlichen Verkehrs zwischen Wien und Niederösterreich, der zukünftig notwendig ist. Der Auftrag an alle Beteiligten ist glasklar: "Wir müssen jetzt mit Weitblick handeln, anstatt uns Möglichkeiten und Chancen langfristig zu verbauen!"

"Baustopp der Lobauautobahn muss der Anfang der Mobilitätswende in Wien sein!"

"Ein Baustopp für den Lobautunnel alleine ist viel zu wenig. Es braucht eine rasche verkehrspolitische Neuorientierung der Stadt Wien und eine sinnvolle Diskussion darüber, wie das Verkehrsproblem schnellstmöglich auf ökologischem Wege gelöst werden kann! In diesem neuen Diskussionsprozess braucht es auch Platz für uns junge Menschen - da die Auswirkungen unsere Zukunft betreffen", sagt die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien (SJ), Rihab Toumi, angesichts der Verkündung des Baustopps vom Lobautunnel. "Dass jetzt der Lobautunnel wegfällt, muss zum Anlass genommen werden, auch die Stadtstraße umzudenken. In Zeiten der Klimakrise ist es fahrlässig Infrastrukturprojekte vorrangig für Autos zu bauen." so Toumi.
Infrastrukturpläne müssen belastbar, klimafit und zukunftsrelevant sein. Ein ganz wesentlicher Schritt in diese Richtung, weg von verstaubten und alten Projekten, ist heute getan worden. auch wenn es noch Stimmen aus der Wirtschaft und der Stadt Wien gibt, die das noch nicht erkannt haben dürften. Die Klimakrise erfordert andere Antworten als in der Vergangenheit, denn sie ist noch mehr Bedrohung für uns alle als die Probleme mit Corona.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /