Zerbrochene Verbindungen: Neuer Weltbericht warnt vor dramatischem Verlust ökologischer Netzwerke
Der Bericht „Global Land Outlook – Thematic Report on Ecological Connectivity and Land Restoration“, vorgestellt auf dem Weltnaturschutzkongress der International Union for Conservation of Nature (IUCN) in Abu Dhabi, zeigt: Fast ein Drittel der Landfläche unseres Planeten ist bereits tiefgreifend verändert, Flüsse, Wälder und Grasländer sind zerstückelt und ihrer natürlichen Verbindungen beraubt.
Die Landschaften der Erde funktionieren wie ein lebendiges Mosaik: Flüsse transportieren Nährstoffe, Tiere wandern über große Distanzen, Pflanzen verbreiten sich entlang natürlicher Pfade. Dieses fein abgestimmte System gerät zunehmend aus dem Takt.
Mehr als 60 Prozent der Flüsse weltweit sind laut Bericht heute aufgestaut oder umgeleitet. Der Mekong, einst einer der produktivsten Binnenflüsse der Erde, liefert ein bedrückendes Beispiel: Durch zahlreiche Staudämme sind Fischwanderungen blockiert - Millionen Menschen verlieren damit ihre Lebensgrundlage. In der afrikanischen Serengeti wiederum verhindern Zäune und Ackerflächen die großen Tierwanderungen von Gnus und Zebras - eines der letzten großen Naturschauspiele der Erde steht auf dem Spiel.
Straßen, Bahnlinien und Siedlungen zerschneiden zusätzlich Lebensräume. Bis 2050 soll das globale Straßennetz um weitere 60 Prozent wachsen – mit verheerenden Folgen für Flora und Fauna.
Die Folgen der fragmentierten Landschaften treffen nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern direkt den Menschen. „Wenn diese Verbindungen zerbrechen, leiden zuerst die Schwächsten“, warnt UNCCD-Exekutivsekretärin Yasmine Fouad. „Die Wiederherstellung von Ökosystemen bedeutet auch, ihre Verbindungen wiederherzustellen – wir müssen verbinden, um zu heilen, und heilen, um zu verbinden.“
Schon heute sind bis zu 40 Prozent der Erdoberfläche von Bodendegradation betroffen - fast die Hälfte der Menschheit lebt auf geschädigten Flächen. Das führt zu sinkenden Erträgen in der Landwirtschaft, Wasserknappheit und wachsender Anfälligkeit für Dürren, Überschwemmungen und Brände.
UNCCD-Chefwissenschaftler Barron Orr mahnt zur Eile: „Wenn Böden ausgelaugt und Flüsse verschmutzt sind, ist die Erholung langsam und teuer. Prävention ist immer günstiger, als einen Kollaps zu reparieren.“
Trotz der düsteren Diagnose zeigt der Bericht auch Wege aus der Krise. Erfolgreiche Beispiele beweisen, dass die Wiederherstellung ökologischer Konnektivität möglich ist:
Das Grüne Band Europa verbindet 24 Länder von Skandinavien bis ans Mittelmeer – ein Symbol der Wiedervereinigung von Natur und Mensch nach dem Kalten Krieg.
Costa Rica hat durch Wildtierkorridore zerstückelte Wälder wieder verbunden. Jaguare kehrten zurück, der Ökotourismus blüht.
In Bolivien setzen indigene Gemeinschaften auf traditionelle Agroforstsysteme, die Artenvielfalt fördern und Einkommen sichern.
Diese Initiativen zeigen, dass lokales Wissen und partizipative Ansätze entscheidend sind, um Landschaften widerstandsfähig zu machen.
Zur Halbzeit der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021–2030) mahnt der Bericht, dass Klimaschutz, Biodiversität und Landnutzung nur gemeinsam gedacht werden können. Der Globale Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal sieht vor, bis 2030 mindestens 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme wiederherzustellen – und damit das Netz des Lebens zu stärken, das alles Leben auf der Erde trägt.
Denn es geht längst nicht mehr nur um den Schutz der Natur – sondern um die Sicherung unserer gemeinsamen Zukunft.