Wärmewende Deutschland: Milliardeninvestitionen bis 2030 nötig
Wärme als "Energiefresser"
2023 entfielen 55 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland auf die Bereitstellung von Wärme – ein deutlich höherer Anteil als bei Strom oder Verkehr. Bis 2045 soll der Sektor klimaneutral werden, wie es das Bundes-Klimaschutzgesetz vorschreibt. Die kommunale Wärmeplanung, gesetzlich vorgeschrieben und vielerorts bereits gestartet, gilt dabei als zentrales Instrument. Sie soll Kommunen und Energieversorgern Planungssicherheit geben und Investitionen steuern.
Sanierung als Flaschenhals
Ein großer Hebel liegt im Gebäudebestand. Doch die Sanierungsrate dümpelt seit Jahren: Zwischen 2000 und 2020 lag sie im Schnitt bei 0,8 Prozent, Ende 2024 sogar nur bei 0,6 Prozent. Notwendig wäre laut McKinsey mindestens eine Verdopplung.
Hürden sind vor allem fehlende Wirtschaftlichkeit, besonders für Vermieter, sowie Fachkräftemangel – aktuell sind rund 12.000 Stellen im SHK-Bereich unbesetzt. Bei einer Sanierungsquote von zwei Prozent aller Wohngebäude läge der Investitionsbedarf allein dafür bis 2030 bei 170 bis 270 Milliarden Euro.
Wärmenetze und Wärmepumpen
Derzeit wird der deutsche Wärmebedarf vor allem mit Erdgas (43 %) sowie Öl und Kohle (21 %) gedeckt. Künftig soll ein Mix aus Wärmenetzen in dicht besiedelten Gebieten und Wärmepumpen in der Fläche dominieren.
Wärmenetze: Heute sind 1,3 Millionen Gebäude angeschlossen, jedoch basiert die Erzeugung noch überwiegend auf fossilen Energieträgern. Bis 2030 sollen jährlich 100.000 zusätzliche Gebäude angebunden und mindestens 50 Prozent der Netzenergie aus erneuerbaren Quellen oder Abwärme stammen. Das erfordert Milliardeninvestitionen in Verdichtung, Ausbau und die Umstellung auf grüne Energieträger.
Wärmepumpen: Aktuell sind rund 1,7 Millionen Anlagen in Betrieb. Das Regierungsziel von 500.000 neuen Geräten pro Jahr wird aber deutlich verfehlt – 2025 erwartet der Bundesverband Wärmepumpe lediglich 260.000 Neuinstallationen. Unsichere Förderbedingungen und Engpässe in der Stromnetzinfrastruktur bremsen das Wachstum.
Drei pragmatische Hebel
Neben den großen Strukturprojekten sieht McKinsey auch kurzfristige Maßnahmen mit erheblichem Potenzial:
Heizungsoptimierung: Rund 80 Prozent der Heizungsanlagen sind falsch eingestellt. Allein die korrekte Justierung könnte den Verbrauch um fünf Prozent senken. Smarte Thermostate brächten weitere zehn Prozent Einsparung.
Geothermie: Mit einem theoretischen Potenzial von über 900 TWh gilt sie als „schlafender Riese“ der Wärmewende. Bis 2030 könnten laufende Projekte bereits 10 TWh liefern – mehr ist möglich.
Ölheizungen ersetzen: Ein Umstieg auf Erdgas (mit 65 % Biomethan-Anteil) oder Wärmepumpen könnte die Emissionen pro Haushalt um 2 bis 3 Tonnen CO₂ jährlich senken.
„Es braucht Tempo“
„Angesichts finanzieller Anforderungen und operativer Hürden ist eine erhebliche Beschleunigung der Anstrengungen notwendig, um die Wärmewende wie geplant umzusetzen“, sagt McKinsey-Partner Sebastian Overlack. Sein Kollege Fridolin Pflugmann ergänzt: „Pragmatische Ansätze wie Heizungsoptimierung oder die schnellere Erschließung von Geothermie werden bislang unterschätzt.“
Eines scheint klar : Ohne massive Investitionen und ein höheres Umsetzungstempo droht die Wärmewende ins Stocken zu geraten. Sie bleibt damit eines der größten Infrastrukturprojekte der kommenden Jahre – mit zentraler Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele.