Vielfalt als Erfolgsfaktor: Impulse für eine nachhaltige und gesunde Ernährung
Wien - Wie viel Vielfalt braucht eine gesunde Ernährung – und wie kann sie im Alltag gelingen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des 11. Symposiums des forum. ernährung heute (f.eh), das unter dem Titel „Natur – Mensch – Gesundheit: Das unterschätzte Potenzial der Vielfalt“ in Wien stattfand. Fachleute aus Wissenschaft, Bildung, Wirtschaft und Konsumentenschutz diskutierten den Wert der Biodiversität für das Ernährungssystem und die Gesundheit sowie Wege, Vielfalt in der Praxis zu fördern.
„Eine hohe Biodiversität ist die Basis unseres Lebens und einer abwechslungsreichen Ernährung“, betonte die stellvertretende f.eh-Obfrau Petra Burger in ihrer Eröffnungsrede. Ziel müsse es sein, Konsumentinnen und Konsumenten zu befähigen, aus dem breiten Lebensmittelangebot bedarfsgerecht zu wählen – auch angesichts steigender Kosten.
f.eh-Geschäftsführerin Marlies Gruber verwies auf zwei zentrale Hebel für mehr Vielfalt: Bildung und positive Motivation. „Wir brauchen eine umfassende Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schulen, damit junge Menschen die Komplexität des Ernährungssystems verstehen und informierte Entscheidungen treffen können. Und wir müssen weg vom Verzichtsgedanken – hin zur Freude an der Vielfalt. Wer sich genussvoll an Abwechslung herantastet, entwickelt automatisch ein gesünderes Essverhalten.“
Auch Bildungsminister Christoph Wiederkehr unterstrich in seinen Grußworten die Bedeutung der Ernährungsbildung: „Kinder sollen in der Schule auf das Leben vorbereitet werden. Gesundheit und Ernährung müssen daher künftig noch stärker Teil des Unterrichts sein.“
Mensch und Natur – ein komplexes System
Wie eng Biodiversität und Gesundheit zusammenhängen, machte Martin Grassberger (Universität Wien und Sigmund Freud PrivatUniversität) deutlich: Nur rund zehn Prozent des Krankheitsrisikos sind genetisch bedingt – der Rest hängt von Umwelt, Lebensstil und sozialen Bedingungen ab. „Der Mensch ist Teil eines komplexen, adaptiven Systems – nicht getrennt von der Natur, sondern eingebettet in sie“, so Grassberger.
Gabriele Berg (TU Graz) betonte die zentrale Rolle des Bodens: „Ein lebendiger, biodiverser Boden ist die Basis für gesunde Pflanzen, Tiere und Menschen.“ Unterschiedliche Apfelsorten etwa beherbergen ganz verschiedene Mikrobengemeinschaften – ein Beispiel für die biologische und kulinarische Vielfalt, die letztlich auch unserem Mikrobiom und Wohlbefinden zugutekommt.
Da jeder Mensch unterschiedliche Bedürfnisse hat, gewinnt die personalisierte Ernährung an Bedeutung. Katja Lotz (DHBW Heilbronn) zeigte, wie digitale Technologien helfen können, individuelle Ernährungsempfehlungen zu entwickeln und gesunde Lebensjahre zu verlängern.
Als einfache Orientierung nannten Katharina Seiser und Theres Rathmanner das Motto „30 Pflanzen pro Woche“. Dazu zählen Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Kräuter, Nüsse, Samen, Pilze oder fermentierte Lebensmittel – und sogar Kaffee, Tee und dunkle Schokolade.
Die Verarbeitung von Lebensmitteln ist ein entscheidender Faktor für Vielfalt und Haltbarkeit, erläuterte Henry Jäger (BOKU Wien). Unterschiedliche Rohstoffe, Rezepturen und Verfahren eröffnen Spielräume – von Brot über Käse bis zu Gemüseprodukten. „Verarbeitung beginnt bei der Ernte und endet oft erst in der Küche“, so Jäger.
Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl (APEK-Consult) warnte vor einer „Pseudovielfalt“ am Markt, die eher verwirrt als inspiriert. Vielfalt funktioniere dann, wenn sie schrittweise wächst und nicht moralisch aufgeladen ist: „Vielfalt existiert nur, wenn das Verschiedene auch gekocht wird – und wenn man morgen anders kochen kann, ohne das Heute zu verleugnen.“
Am Podium diskutierten Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft, Konsumentenschutz und Gemeinschaftsverpflegung – darunter Stefan Schauer (Staud’s), Josef Braunshofer (Berglandmilch), Klaudia Atzmüller (Ja! Natürlich), Micaela Schantl (AMA-Marketing), Helga Cvitkovich-Steiner (Gourmet) und Gabriele Zgubic (AK Wien).
Einigkeit bestand darin, dass Vielfalt leistbar und alltagstauglich bleiben muss. „Abwechslungsreiche und gesunde Ernährung ist auch mit begrenztem Budget möglich“, betonte Zgubic – vorausgesetzt, die entsprechenden Kompetenzen werden in Familie und Schule vermittelt. Cvitkovich-Steiner erinnerte daran, dass vertraute Gerichte Sicherheit geben: „Vielfalt darf nicht überfordern, sondern muss schrittweise mehrheitsfähig werden.“
Das Symposium des forum. ernährung heute zeigte: Vielfalt ist kein Luxus, sondern Grundlage für Gesundheit, Nachhaltigkeit und Genuss. Sie braucht Bildung, Bewusstsein – und die Bereitschaft, den eigenen Teller immer wieder neu zu entdecken.