Taiwan steigt aus – Belgien verlängert Laufzeit
Ein bemerkenswerter Kontrast zur Entwicklung in Belgien: Dort hat das Parlament diese Woche überraschend eine rechtliche Grundlage für Laufzeitverlängerungen von Altreaktoren auf bis zu 60 Jahre geschaffen. Während Taiwan sich von der atomaren Energiegewinnung verabschiedet, öffnet Belgien erneut die Tür für ein energiepolitisches Modell von gestern – mit ungewisser Zukunft.
Taiwans Wandel: Vom Atomstrom-Pionier zum Vorreiter des Ausstiegs
Taiwan begann 1978 mit der Nutzung der Kernenergie. Bereits 1985 deckten sechs Reaktoren über die Hälfte des Strombedarfs der Insel. Doch die Katastrophen von Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) führten zu einem schrittweisen Umdenken. Seit 1986 wurde kein neuer Reaktor mehr in Betrieb genommen, 2011 folgte der politische Beschluss zum Ausstieg.
Zwar wurde erst diese Woche im Parlament eine gesetzliche Möglichkeit zur Laufzeitverlängerung auf 60 Jahre geschaffen – offenbar auf Druck der Atomlobby. Doch laut der Taipei Times lehnen sowohl die taiwanesische Regierung als auch der AKW-Betreiber eine solche Verlängerung entschieden ab. Gründe seien Sicherheitsbedenken und wirtschaftliche Unrentabilität. Die taiwanesische Kommission für nukleare Sicherheit bestätigte den morgigen Abschalttermin. Künftig liegt der Fokus des Landes auf dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien.
Ein Signal an Europa
„Taiwan lebt vom Export von Hochtechnologie und hat entsprechend hohen Strombedarf. Wenn ein Land wie dieses den Ausstieg schafft, zeigt das: Auch Europa kann es“, sagt Herbert Stoiber, Geschäftsführer von atomstopp_atomkraftfrei leben!. Er erinnert daran, dass 12 der weltweit 31 Atomstromstaaten EU-Mitglieder sind. Mit insgesamt 100 Reaktoren ist die EU – bezogen auf die Bevölkerungszahl – Spitzenreiter bei der Atomstromerzeugung.
Stoiber fordert: „Gerade weil die EU eine Vorbildfunktion einnimmt, muss sie Verantwortung übernehmen und einen ambitionierten Ausstiegspfad festlegen. Die Atomkraft hinterlässt radioaktiven Müll, der für viele zehntausend Generationen ein Risiko bleibt – für gerade einmal 9 Prozent des weltweit erzeugten Stroms, Tendenz sinkend. Das ist unverhältnismäßig und nicht länger tragbar.“
Atomkraft auf dem Rückzug – oder doch nicht?
Der weltweite Trend zeigt in Richtung Abschied von der Kernenergie. Gleichzeitig setzen manche Staaten, wie Belgien, Frankreich oder Ungarn, weiterhin auf bestehende oder neue Reaktoren. Taiwan dagegen sendet mit seinem klaren Kurs ein starkes Signal: Eine sichere, wirtschaftliche und zukunftsfähige Energieversorgung ist auch ohne Atomkraft möglich.