Nachtlüften im Praxistest: Studie zeigt, wie effektiv natürliche Kühlung wirklich ist
Wien/Salzburg – Das Forschungsprojekt „CoolBRICK“ hat erstmals unter realen Bedingungen untersucht, wie sich verschiedene Nachtlüftungsszenarien auf das Raumklima auswirken. Die zentrale Erkenntnis: Während gekippte Fenster vor allem für den hygienischen Luftwechsel sorgen, können gezielt gesteuerte Lüftungsvarianten die Raumtemperatur deutlich senken und den Wohnkomfort erheblich steigern.
Menschen verbringen rund 90 Prozent ihrer Zeit in Innenräumen, unabhängig von der Jahreszeit. Angesichts zunehmender Hitzewellen und steigender Temperaturen wird die Gestaltung von Gebäuden, die im Sommer angenehm kühl bleiben, zu einer zentralen Herausforderung für Architekt:innen und die Bauwirtschaft. „CoolBRICK“ zeigt, dass effiziente Nachtlüftung eine einfache, aber wirkungsvolle Lösung bietet. Werden Fenster gezielt nachts geöffnet, kühlen sich Räume um mehrere Grad ab – ein Effekt, der sowohl Energieeinsparungen als auch gesundheitlichen Komfort ermöglicht.
Monitoring unter Realbedingungen
Kern des Projekts waren zwei baugleiche Testhäuser auf dem Gelände der BAUAkademie Salzburg. Ausgestattet mit über 200 Sensoren, wurden unterschiedliche Lüftungstechniken über ganze Nächte hinweg überwacht: von klassischer Kippstellung bis hin zu automatisierten Querlüftungen und modellbasierten Regelungen. Heinz Hackl von VELUX Österreich erklärt: „Das Projekt liefert erstmals empirische Daten darüber, wie natürliche Nachtlüftung und die gezielte Abkühlung der Speichermassen am effektivsten eingesetzt werden können.“
Querlüftung und Kaminlüftung besonders wirkungsvoll
Die Studie zeigt: Einseitig gekippte Fenster tauschen die Luft lediglich zweimal pro Stunde aus und senken die Raumtemperatur um rund 1,6 °C. Werden Fenster auf zwei Seiten geöffnet (Querlüftung), steigt die Luftwechselrate auf bis zu vier Mal pro Stunde und die Temperatur sinkt um bis zu 5,5 °C. Noch effizienter ist die Kaminlüftung, bei der warme Luft über Dachfenster entweicht und kühle Luft von unten nachströmt. Hier wurden Luftwechselraten von bis zu 12 h⁻¹ gemessen – selbst bei Windgeschwindigkeiten unter 0,5 m/s.
Gunther Graupner von der ZAB Zukunftsagentur Bau betont: „Diese Daten liefern konkrete Anhaltspunkte für die Auslegung von Lüftungskonzepten – insbesondere in Hinblick auf Energieeffizienz, Nutzerkomfort und Klimaziele.“
Intelligente Steuerung verstärkt den Effekt
Besonders viel Potenzial entfaltet Nachtlüftung durch automatisierte Systeme, die Fenster in den kühlen Nachtstunden öffnen und vorausschauend steuern. Albert Treytl von der Universität für Weiterbildung Krems erläutert: „Modellbasierte Regelungen berücksichtigen die Wärmeabgabe der Wände über Nacht und berechnen die ideale Öffnungsdauer. So lässt sich mit vergleichsweise einfachen Mitteln ein optimales Raumklima erzeugen.“
Bedeutung für Neubau und Sanierung
Moderne, gut gedämmte Gebäude speichern tagsüber Wärme, die sich ohne gezielte Lüftung im Innenraum staut. Die Studie zeigt, dass durchdachte Lüftungskonzepte – insbesondere natürliche Nachtkühlung kombiniert mit intelligenter Steuerung – den sommerlichen Wärmeschutz deutlich verbessern können. Hackl betont: „Kein Neubau und keine Sanierung sollte heute ohne durchdachtes Lüftungskonzept erfolgen. Damit entstehen klimaresiliente, gesunde Gebäude, die auch steigenden Temperaturen standhalten.“
Über das Projekt „CoolBRICK“
Ziel des Forschungsprojekts war es, das Potenzial passiver Kühlstrategien durch die Nutzung thermischer Ziegelspeichermassen und natürliche Nachtlüftung aufzuzeigen. Begleitet wurde das Monitoring durch thermodynamische Simulationen. Das Projekt wurde vom Forschungsverein Steine-Keramik, dem Verband Österreichischer Ziegelwerke (VÖZ), der Fachhochschule Salzburg, der Universität für Weiterbildung Krems, der ZAB Zukunftsagentur Bau und VELUX Österreich mit Unterstützung der FFG umgesetzt (Sommer/Herbst 2024).
Die Ergebnisse liefern der Baupraxis wertvolle, praxisnahe Erkenntnisse, wie durch einfache, passive Maßnahmen das Raumklima verbessert, Energie eingespart und Hitzestress in Gebäuden reduziert werden kann.