Konzerne klagten Staaten bislang auf 857 Mrd. Dollar
Investoren haben bislang versucht, durch Schiedsgerichts-Klagen über die Paralleljustiz ISDS insgesamt 857 Milliarden US-Dollar von Staaten einzuklagen – zugesprochen wurden ihnen dabei 114 Milliarden US-Dollar. Das zeigt die neue Datenbank „Global ISDS Tracker“, die gestern von der Berliner Nichtregierungsorganisation PowerShift, dem Transnational Institute und dem Trade Justice Movement veröffentlicht wird. Bis auf einen Fall aus den 1980er Jahren stammen alle bekanten Klagen aus dem Zeitraum ab 1993. Stark zugenommen haben in den vergangenen Jahren insbesondere die Anzahl der Klagen im Milliardenbereich. Insgesamt wurden 129 Klagen mit einem Streitwert von mindestens einer Milliarde US-Dollar eingereicht.
Klagen fossiler Investoren nehmen stetig zu
Da Klagen in Milliardenhöhe ganze Staaten in den Bankrott treiben können, werden sie oft von fossilen Konzernen genutzt, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verzögern. Die Daten belegen, dass die Zahl der Klagen von Investoren in fossile Energien in den letzten drei Jahrzehnten stetig zugenommen hat. Inzwischen sind insgesamt 261 dieser Fälle bekannt, deren Entschädigungsforderungen sich auf insgesamt 327 Milliarden belaufen. „Die Daten bestätigen, dass ISDS ein Geheimwerkzeug der fossilen Industrie gegen Klimaschutzgesetze ist", erklärt Tom Wills, Direktor des Trade Justice Movement.
EU steigt aus Energiecharta-Vertrag aus, doch Kocher hält am Klimakiller fest
Vielen der Klagen basieren auf dem Energiecharta-Vertrag, ECT. Da dieser mit den Klimazielen der EU unvereinbar ist, haben die EU-Energieminister erst vergangenen Woche, am 30. Mai, den Ausstieg der EU aus diesem Klimakiller-Vertrag beschlossen. Wirtschaftsminister Martin Kocher hält jedoch weiterhin an einem Verbleib Österreichs im ECT fest. „Es ist dringend nötig, dass Kocher endlich dem Ausstieg aus diesem Klimakiller-Vertrag zustimmt. Ansonsten bleibt Österreich in einem veralteten und gefährlichen Vertrag – und zwar auf Kosten des Klimaschutzes und der Steuerzahler*innen“, erklärt Theresa Kofler von Attac Österreich.
Klagen von Bergbauunternehmen mit katastrophalen Folgen
Doch auch in anderen Sektoren wird geklagt. So nutzen etwa auch Bergbauunternehmen aus dem globalen Norden ISDS-Klagen, um ihre Interessen in rohstoffreichen Ländern durchzusetzen – häufig mit katastrophalen Folgen für die lokale Bevölkerung und Umwelt. „Die Ungerechtigkeit liegt auf der Hand: Die Länder des globalen Südens sind die Hauptopfer von ISDS, während hauptsächlich Investoren aus Europa und Nordamerika davon profitieren. Damit werden öffentliche Gelder in die Hände einiger weniger Konzerne und ihrer Aktionäre transferiert. Das muss aufhören. Es ist höchste Zeit, dass Länder weltweit aus den Verträgen austreten, die ISDS beinhalten", sagt Fabian Flues, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift.
"In dieser schwierigen Zeit, in der Staaten dringend verstärkte Klimaschutzmaßnahmen ergreifen müssen, ist es untragbar, dass Konzerne diese Bemühungen zunichtemachen können. Die Abschaffung von Abkommen, die fossile Brennstoffe und Bergbauunternehmen schützen, sollte in den kommenden Jahren unsere höchste Priorität sein", betont Lucía Bárcena, Expertin für Handelspolitik beim Transnational Institute.
Über die Paralleljustiz für Konzerne, ISDS
Die Paralleljustiz der Investor-Staat-Schiedsverfahren (engl. ISDS) ist in vielen Handels- und Investitionsabkommen enthalten. Sie ermöglicht es ausländischen Investoren Staaten auf Entschädigung zu verklagen, wenn sich Gesetze und Regulierungen, ihre erwarteten Profite eingeschränkt sehen.
Über den Global ISDS Tracker:
Die Global ISDS Tracker Website mit einer integrierten Datenbank enthält Informationen über alle öffentlich bekannten 1362 ISDS-Fälle. Die Informationen werden jährlich aktualisiert.
Die Datenbank ermöglicht es, die große Anzahl von ISDS-Fälle zu navigieren und nach Geografie und Industrien zu filtern. Der Global ISDS Tracker ist eine gemeinsame Initiative des Transnational Institute, des Trade Justice Movement und von PowerShift.
Weitere Informationen: www.globalisdstracker.org
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Beispielhafte ISDS Fälle:
Transcanada gegen die Vereinigten Staaten von Amerika
Das kanadische Unternehmen Transcanada fordert 15 Milliarden US-Dollar Schadenersatz von den USA, weil ihnen die Genehmigung für eine Pipeline verweigert wurde, die umweltschädliches Teersandöl aus Kanada an die US-Küste transportieren sollte. Diese Genehmigung wurde nach massiven Protesten von indigenen Gruppen, Landwirten und Klimaaktivisten zurückgezogen. Eine Folgenabschätzung hatte ergeben, dass der Bau der Pipeline den Klimawandel beschleunigen würde. Durch das ISDS-Verfahren versucht Transcanada nun, hypothetische Gewinne, die sie durch die Pipeline erzielt hätten, von den amerikanischen Steuerzahlern zu erstreiten.
Azienda Elettrica Ticinese gegen Deutschland
Das Schweizer Energieunternehmen Azienda Elettrica Ticinese (AET) nutzt den umstrittenen Energiecharta-Vertrag, um Deutschlands Entscheidung, bis 2038 aus der Kohleverstromung auszusteigen, anzufechten. AET klagt auf eine nicht genannte Entschädigungssumme, obwohl das Ausstiegsgesetz bereits Entschädigungen unter bestimmten Bedingungen vorsieht. Sollte AET Erfolg haben, könnte dies andere Investoren weltweit ermutigen, gegen den Kohleausstieg vorzugehen.
Discovery Global gegen die Slowakei
Das Öl- und Gasunternehmen Discovery Global verklagt die Slowakei auf mindestens 500 Millionen US-Dollar auf Basis des bilateralen Investitionsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten und der Slowakei. Das Unternehmen behauptet, dass die Forderung der slowakischen Regierung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für den geplanten Bohrstandort durchzuführen, willkürlich und ungerechtfertigt war.
Klagen fossiler Investoren nehmen stetig zu
Da Klagen in Milliardenhöhe ganze Staaten in den Bankrott treiben können, werden sie oft von fossilen Konzernen genutzt, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verzögern. Die Daten belegen, dass die Zahl der Klagen von Investoren in fossile Energien in den letzten drei Jahrzehnten stetig zugenommen hat. Inzwischen sind insgesamt 261 dieser Fälle bekannt, deren Entschädigungsforderungen sich auf insgesamt 327 Milliarden belaufen. „Die Daten bestätigen, dass ISDS ein Geheimwerkzeug der fossilen Industrie gegen Klimaschutzgesetze ist", erklärt Tom Wills, Direktor des Trade Justice Movement.
EU steigt aus Energiecharta-Vertrag aus, doch Kocher hält am Klimakiller fest
Vielen der Klagen basieren auf dem Energiecharta-Vertrag, ECT. Da dieser mit den Klimazielen der EU unvereinbar ist, haben die EU-Energieminister erst vergangenen Woche, am 30. Mai, den Ausstieg der EU aus diesem Klimakiller-Vertrag beschlossen. Wirtschaftsminister Martin Kocher hält jedoch weiterhin an einem Verbleib Österreichs im ECT fest. „Es ist dringend nötig, dass Kocher endlich dem Ausstieg aus diesem Klimakiller-Vertrag zustimmt. Ansonsten bleibt Österreich in einem veralteten und gefährlichen Vertrag – und zwar auf Kosten des Klimaschutzes und der Steuerzahler*innen“, erklärt Theresa Kofler von Attac Österreich.
Klagen von Bergbauunternehmen mit katastrophalen Folgen
Doch auch in anderen Sektoren wird geklagt. So nutzen etwa auch Bergbauunternehmen aus dem globalen Norden ISDS-Klagen, um ihre Interessen in rohstoffreichen Ländern durchzusetzen – häufig mit katastrophalen Folgen für die lokale Bevölkerung und Umwelt. „Die Ungerechtigkeit liegt auf der Hand: Die Länder des globalen Südens sind die Hauptopfer von ISDS, während hauptsächlich Investoren aus Europa und Nordamerika davon profitieren. Damit werden öffentliche Gelder in die Hände einiger weniger Konzerne und ihrer Aktionäre transferiert. Das muss aufhören. Es ist höchste Zeit, dass Länder weltweit aus den Verträgen austreten, die ISDS beinhalten", sagt Fabian Flues, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift.
"In dieser schwierigen Zeit, in der Staaten dringend verstärkte Klimaschutzmaßnahmen ergreifen müssen, ist es untragbar, dass Konzerne diese Bemühungen zunichtemachen können. Die Abschaffung von Abkommen, die fossile Brennstoffe und Bergbauunternehmen schützen, sollte in den kommenden Jahren unsere höchste Priorität sein", betont Lucía Bárcena, Expertin für Handelspolitik beim Transnational Institute.
Über die Paralleljustiz für Konzerne, ISDS
Die Paralleljustiz der Investor-Staat-Schiedsverfahren (engl. ISDS) ist in vielen Handels- und Investitionsabkommen enthalten. Sie ermöglicht es ausländischen Investoren Staaten auf Entschädigung zu verklagen, wenn sich Gesetze und Regulierungen, ihre erwarteten Profite eingeschränkt sehen.
Über den Global ISDS Tracker:
Die Global ISDS Tracker Website mit einer integrierten Datenbank enthält Informationen über alle öffentlich bekannten 1362 ISDS-Fälle. Die Informationen werden jährlich aktualisiert.
Die Datenbank ermöglicht es, die große Anzahl von ISDS-Fälle zu navigieren und nach Geografie und Industrien zu filtern. Der Global ISDS Tracker ist eine gemeinsame Initiative des Transnational Institute, des Trade Justice Movement und von PowerShift.
Weitere Informationen: www.globalisdstracker.org
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Beispielhafte ISDS Fälle:
Transcanada gegen die Vereinigten Staaten von Amerika
Das kanadische Unternehmen Transcanada fordert 15 Milliarden US-Dollar Schadenersatz von den USA, weil ihnen die Genehmigung für eine Pipeline verweigert wurde, die umweltschädliches Teersandöl aus Kanada an die US-Küste transportieren sollte. Diese Genehmigung wurde nach massiven Protesten von indigenen Gruppen, Landwirten und Klimaaktivisten zurückgezogen. Eine Folgenabschätzung hatte ergeben, dass der Bau der Pipeline den Klimawandel beschleunigen würde. Durch das ISDS-Verfahren versucht Transcanada nun, hypothetische Gewinne, die sie durch die Pipeline erzielt hätten, von den amerikanischen Steuerzahlern zu erstreiten.
Azienda Elettrica Ticinese gegen Deutschland
Das Schweizer Energieunternehmen Azienda Elettrica Ticinese (AET) nutzt den umstrittenen Energiecharta-Vertrag, um Deutschlands Entscheidung, bis 2038 aus der Kohleverstromung auszusteigen, anzufechten. AET klagt auf eine nicht genannte Entschädigungssumme, obwohl das Ausstiegsgesetz bereits Entschädigungen unter bestimmten Bedingungen vorsieht. Sollte AET Erfolg haben, könnte dies andere Investoren weltweit ermutigen, gegen den Kohleausstieg vorzugehen.
Discovery Global gegen die Slowakei
Das Öl- und Gasunternehmen Discovery Global verklagt die Slowakei auf mindestens 500 Millionen US-Dollar auf Basis des bilateralen Investitionsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten und der Slowakei. Das Unternehmen behauptet, dass die Forderung der slowakischen Regierung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für den geplanten Bohrstandort durchzuführen, willkürlich und ungerechtfertigt war.