Konfliktfall Renaturierung?
Wien - Renaturierung ist mehr als ein ökologisches Vorhaben – sie ist auch ein gesellschaftliches Projekt mit erheblichem Konfliktpotenzial. Das Österreichische Friedenszentrum (Austrian Centre for Peace, ACP) hat in einem neuen Policy Brief untersucht, wie Konflikte im Zuge der Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung konstruktiv genutzt werden können – und welche Maßnahmen politische Entscheidungsträger*innen ergreifen sollten, um Akzeptanz und Teilhabe zu fördern.
2024 beschlossen die EU-Mitgliedstaaten die Renaturierungsverordnung, die bis 2030 die Wiederherstellung von mindestens 20 Prozent der geschädigten Ökosysteme in der EU vorsieht. Nun gilt es, die Vorgaben in nationale Wiederherstellungspläne zu überführen – für Österreich unter der Gesamtkoordination des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BMLUK) bis September 2026.
„Renaturierung bietet Konfliktpotenzial auf allen gesellschaftlichen Ebenen“, sagt Sophia Stanger, ACP-Focal Point für Environmental Peacebuilding. Gemeinsam mit Wolfgang Weilharter, Experte für regionale Konfliktbearbeitung am ACP, hat sie Handlungsempfehlungen entwickelt, die auf den Erkenntnissen von Expert*innen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft beruhen.
Die Autor*innen betonen, dass Konflikte in Renaturierungsprozessen nicht zwangsläufig negativ sein müssen. „Richtig ausgetragen, können sie konstruktiv wirken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken“, so Weilharter. Entscheidend sei, mögliche Spannungen frühzeitig zu erkennen und partizipative Verfahren einzubauen, die Transparenz und gemeinsame Verantwortung fördern.
Renaturierungsmaßnahmen greifen oft in bestehende Nutzungsverhältnisse ein – etwa zwischen Natur- und Klimaschutz, Landwirtschaft und Katastrophenschutz. Werden diese Wertekonflikte ignoriert, drohen neue gesellschaftliche Spannungen. Eine umfassende Konfliktanalyse und die Einbindung aller relevanten Stakeholder seien daher zentrale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung.
Die Ergebnisse des Policy Briefs wurden am 13. Oktober 2025 im Rahmen einer Fachveranstaltung präsentiert und mit Expert*innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft diskutiert. Am Podium nahmen teil:
Arno Aschauer (WWF),
Michael Graf (Umweltanwaltschaft Burgenland),
Georg Kanz (BMLUK) und
Rafaela Schinegger (Universität für Bodenkultur Wien).
Schinegger brachte es auf den Punkt: „Die größte Herausforderung der Renaturierung ist nicht das Wissen, was zu tun wäre, sondern das gemeinsame Handeln – Planung, Politik und Bevölkerung müssen an einem Strang ziehen.“