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GLOBAL 2000 deckt auf: Nachhaltigkeits-Etikett statt Gentechnik-Kennzeichung?

Europäische Kommission bereitet mit Fragebogen den Weg für Deregulierung von Neuer Gentechnik in Landwirtschaft

Wien/Brüssel - Die Europäische Kommission befragt bis 22. Juli mit einer Konsultation die Öffentlichkeit zum zukünftigen Umgang mit Neuer Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft. Das Ergebnis - die Deregulierung des EU-Gentechnikrechts - scheint vorprogrammiert. Denn eine Analyse des Konsultations-Fragebogens – durchgeführt von Friends of the Earth Europe (FOEE) und GLOBAL 2000 – zeigt, dass sich die Rhetorik der Saatgut- und Chemiekonzerne in wichtigen Teilen des Fragebogens wiederfindet. “Gespickt mit Suggestivfragen und irreführenden Behauptungen zu Nachhaltigkeit, zeigt der Fragebogen die klare Absicht der EU-Kommission, den Weg frei zu machen für eine Deregulierung der Neuen Gentechnik”, kritisiert Brigitte Reisenberger, Gentechniksprecherin von GLOBAL 2000. “Die Kommission wischt Sicherheitsbedenken pauschal beiseite und wiederholt im Fragebogen stattdessen die Nachhaltigkeitsversprechen der Industrie, ohne diese systematisch zu überprüfen. Die bestehende Kennzeichnungspflicht mit dem gut sichtbaren Verpackungshinweis ‘Enthält gentechnisch veränderten Bestandteil’ wird hingegen nicht einmal mehr zur Wahl gestellt”, ist Brigitte Reisenberger empört.

Die Analyse von GLOBAL 2000 und Friends of the Earth Europe greift exemplarisch diese drei problematischen Aspekte heraus: Unbelegte Nachhaltigkeitsversprechen, Nachhaltigkeits-Etikett statt Gentechnik-Kennzeichnung und pauschales Wegwischen der Forschungslücke zu Risiken.

Nachhaltigkeits-Ranking von Fantasiepflanzen

Im Fragebogen stellt die EU-Kommission bestimmte NGT-Pflanzen als wichtige Instrumente zur Erreichung der Ziele des Green Deal in Bezug auf die Reduktion der Treibhausgasemissionen oder des Pestizideinsatzes vor. Die Kommission lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit auf Nachhaltigkeitsversprechungen der Konzerne und nimmt sie als gegeben an. Bis dato nicht existente Pflanzen mit vorgeblichem Potenzial für Resilienz gegen Klimawandel oder Biodiversitätsverlust werden dafür als „Beleg“ angeführt. Bislang sind es nicht bewiesene Marketingversprechen, die wohl darauf abzielen, Investoren bei Laune zu halten. “Die EU-Kommission behandelt diese Marketingversprechen in der Konsultation als Tatsachen und geht so weit, Bürger:innen fiktive Nachhaltigkeitsbeiträge von weitgehend hypothetischen NGT-Pflanzen bewerten zu lassen. Das ist billiges Greenwashing”, kritisiert Mute Schimpf von Friends of the Earth Europe.

Nachhaltigkeits-Etikett statt Kennzeichnung als Gentechnik?

Bei der Frage zur künftigen Kennzeichnung gibt die Europäische Kommission nicht die Antwortoption als “gentechnisch verändert kennzeichnen”, obwohl diese Kennzeichungsform dem aktuellen EU-Gentechnikrecht entspricht. ”Der Branchenverband EuroSeeds lobbyiert seit Jahren dafür, NGT aus der aktuellen Kennzeichnungspflicht auszuschließen. Nun geht die Kommission in der laufenden Konsultation sogar so weit, ein Nachhaltigkeits-Label für NGT-Pflanzen anstatt eines Gentechnik-Labels vorzuschlagen”, berichtet Reisenberger über die Pläne zur Deregulierung des EU-Gentechnikrechts.

Große Forschungslücke zu möglichen Risiken unbeachtet

Die EU-Kommission behauptet im Fragebogen, dass es keine spezifischen Risiken für NGT-Pflanzen gebe und dass ihr Risikoprofil dem der konventionellen Züchtung oder der klassischen Mutagenese ähnlich sei. Dies jedoch ohne klarzustellen, dass es bisher kaum Risikoforschung zu den neuen Verfahren gibt. “Die” Wissenschaft ist sich nicht einig. Bisher haben die EU-Mitgliedstaaten lediglich 1,6 Prozent ihrer Forschungsgelder für Risikoabschätzung, Monitoring und Nachweismethoden im Bereich der NGT aufgewendet. Der Großteil der Forschungsgelder fließt in Produktentwicklung und Grundlagenforschung. “Es bedarf viel mehr Forschung insbesondere innerhalb der Risikoforschung”, fordert GLOBAL 2000 mit der Petition “Pickerl drauf!”.

GLOBAL 2000 kritisiert den Konsultations-Fragebogen zum EU-Gentechnikrecht. Trotzdem wird die österreichische Umweltschutzorganisation an der Konsultation teilnehmen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /