© Gärnterhof
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Vielfältiges, regionales Saatgut könnte von EU verboten werden!

Nachhaltige Landwirtschaft darf nicht an Saatgutrechts-Reform scheitern

Schiltern/Wien/Brüssel – Vor kurzem endete die EU-weite öffentliche Konsultation für ein neues europäisches Saatgutrecht. Die laufende Reform-Debatte wird entscheiden, ob zukünftig das nötige Saatgut für eine Transformation der Landwirtschaft verfügbar sein wird. „Nachhaltige Ernährungssicherheit braucht eine nachhaltige Landwirtschaft. Ein modernes Saatgutrecht muss den Kampf gegen Klimakrise und Vielfaltsverlust unterstützen“, betont Dagmar Urban, Leiterin des Bereichs Politik bei ARCHE NOAH. „Nur ein Saatgutrecht, das die Vielfalt fördert, hilft uns, besser mit Wetterextremen zurechtzukommen, umweltfreundlicher zu wirtschaften und gesünder zu essen.“

Das EU-Saatgutrecht stammt aus den 1960er-Jahren und regelt die Erzeugung, die Weitergabe und den Verkauf von Saatgut. Derzeit sind die Regeln für standardisiertes Industrie-Saatgut maßgeschneidert – ganz im Sinne der marktdominierenden Agrarchemie-Konzerne. Vielfalt auf den Äckern, in den Gärten und auf unseren Tellern schränkt das Saatgutrecht hingegen drastisch ein. Lokales, anpassungsfähiges Saatgut wird in kleine Nischen gesperrt – mit bürokratischen Hürden sowie Beschränkungen auf kleine Mengen, winzige Packungsgrößen und Ursprungsregionen. Laut der Welternährungsorganisation FAO sind seit 1990 bereits 75 Prozent der pflanzengenetischen Ressourcen verloren gegangen. „Das Saatgutrecht ist mitverantwortlich für einen enormen Verlust biologischer Vielfalt und lässt Bäuer:innen bei der Anpassung an die Klimakrise im Stich“, betont Dagmar Urban von ARCHE NOAH.

„Wir rufen die EU-Kommission auf, sich in der Saatgutrechts-Reform um das Wohl der Bürger:innen zu kümmern, anstatt um die Einzelinteressen der Agrar-Industrie“, so Dagmar Urban. Denn im schlimmsten Fall wird vieles zerstört: Eine der drei von der EU-Kommission präsentierten Reform-Optionen ignoriert sogar das Recht auf freien Tausch von Saatgut. Laut Völkerrecht besteht jedoch seit 2018 ausdrücklich ein Recht darauf, eigenes Saatgut zu verwenden, auszutauschen und zu verkaufen. Darüber hinaus sieht diese Option vor, den Verkauf von vielfältigem, regionalem Saatgut sogar zu verbieten. „Für ARCHE NOAH würde das bedeuten, dass wir von 206 Pflanzensorten, die wir derzeit zum Verkauf anbieten, nur mehr sechs weitergeben dürften“, macht Dagmar Urban die konkreten Auswirkungen deutlich. Neben dieser extrem rückwärtsgewandten Option, gibt es zumindest eine Option, die teils Potential für eine positivere Entwicklung zeigt. Die soeben beendete öffentliche Konsultation ist Teil einer Folgenabschätzung, um die Reform-Optionen auf ihre Auswirkungen zu untersuchen. Nach der Analyse der Rückmeldungen will die EU-Kommission im Dezember einen Gesetzesentwurf vorlegen, der anschließend von EU-Rat und EU-Parlament diskutiert wird.

Anstatt der sehr zögerlichen Ansätze braucht es eine mutige und wirkungsvolle Vielfalts-Option, die den Grundstein für eine widerstandsfähige Landwirtschaft sowie eine vielfältige und gesunde Ernährung legt. „Landwirtschaft darf nicht auf Industrie-Saatgut und Monokulturen beschränkt werden. Wir wollen nicht mehr von ressourcenintensiven, giftigen Pestiziden und Düngemitteln abhängig sein. Nachhaltige Alternativen wie Pflanzenzüchtung für lokal angepasstes Bio-Saatgut müssen gefördert werden, anstatt diese durch das Saatgutrecht künstlich kleinzuhalten“, betont Dagmar Urban. „Es ist höchste Zeit, die Vielfalt aus ihren bürokratischen Fesseln zu befreien! Wir fordern ein Ende der Überregulierung von Erhaltungsarbeit und Hobbygärten, gleichberechtigten Marktzugang für vielfältiges und regional angepasstes Saatgut sowie ein garantiertes Recht, Saatgut zu erhalten, zu tauschen und zu verkaufen“, so Dagmar Urban.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /