© W.J.Pucher OEKONEWS / Klimaministerin Leonore Gewessler
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Startschuss für den ersten Klimarat der Bürgerinnen und Bürger Österreichs

Der Klimarat wird ab kommendem Wochenende tagen und sich bis Juni einmal monatlich treffen - Empfehlungen sollen dann an Bundesregierung übergeben werden

© W.J.Pucher OEKONEWS / Bgm. Peter Eisenschenk Austrian World Summit in Wien
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© W.J.Pucher OEKONEWS /Bgm. Rainer Handlfinger
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© W.J.Pucher OEKONEWS / Klimawissenschaftler Kaser
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© W.J.Pucher OEKONEWS / Katharina Rogenhofer, Klimavolksbegehren
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© W.J.Pucher OEKONEWS / 100 BürgerInnen arbeiten aktiv mit
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© W.J.Pucher OEKONEWS / Der Startschuss für den BürgerInnenrat  ist getan
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© W.J.Pucher OEKONEWS / Schwarmintelligenz ist gefragt
© W.J.Pucher OEKONEWS / Schwarmintelligenz ist gefragt

„Österreich bekommt seinen ersten Klimarat der Bürgerinnen und Bürger. 100 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Menschen aus allen Teilen Österreichs, mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten, eine Art Mini-Österreich, werden an sechs Wochenenden zusammenkommen und können damit die Klimazukunft Österreichs aktiv mitgestalten. Sie werden ihre Alltagserfahrungen und ihre besonderen Herausforderungen im Klimaschutz nutzen und gemeinsam Empfehlungen für ein klimagesundes Österreich erarbeiten,“ sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und ergänzt: „Die Klimakrise betrifft uns alle und wir können sie nur gemeinsam lösen können."

Die Auswahl der Bürgerinnen und Bürger, die am Klimarat teilnehmen, erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Der Klimarat ist eine Art Mini-Österreich, was Wohnort, Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen anbelangt. Die jüngste Person im Klimarat ist 17 Jahre, die älteste 79. Darüber hinaus wurde berücksichtigt, dass nicht nur Personen im Klimarat vertreten sind, die sich besonders für das Klima engagieren – sondern ein Querschnitt der gesamten Bevölkerung. Start ist am 15. Jänner, von da an wird sich der Klimarat einmal monatlich, jeweils ein Wochenende lang, treffen. Eine Grundlage für die Diskussionen sind wissenschaftliche Inputs zu den wichtigsten Schwerpunkten. 15 WissenschaftlerInnen und ein Moderationsteam begleiten den Prozess. Die Ergebnisse sollen dann an die Bundesregierung übergeben werden.

Co-Leiter des wissenschaftlichen Beirates ist Georg Kaser, Klimaforscher an der Universität Innsbruck. Er meint: „Der Kampf gegen die Klimakrise verlangt auch Veränderung unserer Lebensgewohnheiten. Es ist unbedingt notwendig, dass diese von der Bevölkerung mitgetragen werden. Ich trage als Wissenschaftler auch die Last des Wissens, wie dringend Veränderung ist, und bin dankbar, dass ich an einem Prozess teilnehmen darf, der endlich ins Tun geht. Die Aufgabe ist so groß, dass wir es nicht nur der Politik überlassen können, sondern dass wir auch die Gesellschaft mitnehmen müssen, denn die Maßnahmen müssen voll mitgetragen werden. In einer Blase von Halbexpertise stecken zu bleiben, müssen wir vermeiden. Da im Klimarat sicher unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen werden, wollen wir WissenschaftlerInnen die TeilnehmerInnen bei ihrer Konsens- und Entscheidungsfindung mit Fachwissen unterstützen. Gleichzeitig ist es für uns Wissenschaftler sehr sehr wichtig, unbeeinflusste Meinungsbildung zuzulassen.“

Eine der Forderungen des Klimavolksbegehrens war, die österreichische Bevölkerung aktiv bei Klimaschutzmaßnahmen mitbestimmen zu lassen. Im März 2021 hat der Nationalrat die Bundesregierung ersucht, die Forderungen des Klimavolksbegehrens umzusetzen – und der Klimarat wurde beschlossen. In einem 4-Parteienantrag wurde fixiert, dass die Ergebnisse an die Bundesregierung übergeben werden und im Klimaschutzgesetz berücksichtigt werden sollen. Die Entscheidungen müssen dann im politischen Bereich getroffen werden.

Katharina Rogenhofer, Initiatorin des Klimavolksbegehrens: „ Wir sind sehr froh, dass dieser Bürgerrat stattfinden kann. Der Rat ist einer der richtigen und wichtigen Schritte. In 18 Jahren wollen wir klimaneutral werden, das zeigt auch die Herausforderung vor der wir stehen. Es muss gesetzliche Vorgaben geben, aber auch die Beteiligung von Bürgern und Bürgerinnen. Die internationale Erfahrung aus bisherigen Bürgerräten zeigt, wenn Menschen sich selbst ermächtigen können, dann fallen die Entscheidungen in der Regel mutiger aus als jene aus der Politik. Das Potential ist enorm. Der Erfolg des Klimarats wird sich vor allem daran zeigen, ob die erarbeiteten Maßnahmen Eingang in den politischen Prozess finden. Der Klimarat darf keine politische PR-Aktion sein – das müssen Zivilbevölkerung und die Medien sicherstellen. Er kann einen konkreten Weg für Österreich vorzeigen, er kann Basis für eine gerechte Zukunft sein!“

Gemeinden als Vorreiter für mehr Beteiligung

Die Beteiligung von BürgerInnen ist ein wichtiger Baustein für ein klimagesundes Österreich. Das zeigte auch der Input von zwei Bürgermeistern, die näher zu den Menschen sind als die Bundespolitik. Peter Eisenschenk (ÖVP), Bürgermeister von Tulln: „Machen wir uns nichts vor, wenn es uns nicht gelingt, die Bürgerinnen und Bürger an Bord zu holen, werden wir diese Klimakrise nicht meistern. Ob wir mit diesem Vorhaben erfolgreich sein werden oder nicht, das steht unentschieden. Es wird auch in Zukunft politische Kräfte geben, die versuchen werden, diese Bestrebungen zu verhindern. Klimaschutz bedeutet auch Abkehr von Gewohnheiten und Verzicht. Daher ist es extrem wichtig, diese Themen in einen Dialog zu bringen. Natürlich sind Gemeinden die Orte, an denen man direkter kommuniziert.“ Als Beispiel nannte er zwei Vorbildprojekte: Die Umgestaltung eines Parkplatzes in Tulln, der in einen Wohlfühlraum für Menschen, mit mehr Grün umgewandelt wird. Gelungen ist die Meinungsbildung durch intensiven Bürgerbeteiligungsprozess, mit Aufklärung und Information. „Autos raus - Grün rein,“ dafür stimmten die BürgerInnen ab. Das 2. Projekt ist die Tullnstrategie 2030 , mit Energieraumplanung, Stadtgrün, neuer Mobilität, Verhinderung von Versiegelung. Das heißte Abkehr von jahrzehntelangem Denken. Tulln wuchs in die Breite, nun erfolgt eine Verdichtung im Innenraum. Sehr kontroversielle Themen sind behandelt worden. Klimaneutrale Kindergärten, Wärme aus Abwasser für einen Wohnbau, da sind die Menschen dabei. „Ich habe den Vorsitz des Umweltausschusses selbst übernommen, weil mir das ein Anliegen ist. Klimapolitik muss in der ersten Reihe stehen! Bis 2030 sollen alle Betriebe der Stadtgemeinde klimaneutral sein, bis 2040 die ganze Stadt Tulln. Der Kampf gegen die Klimaerwärmung lässt sich auch nicht von oben verordnen, das erleben wir in Tulln jeden Tag. Tulln wird trotzdem seine Klimaziele 2025 erreichen. Doch ohne das Verständnis und die Unterstützung der Bevölkerung wäre das unvorstellbar. Deshalb habe ich großen Respekt vor jenen 100 BürgerInnen, die nun österreichweit einen Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen werden.“

Die Gemeinden benötigen aber Rückenwind für die weitere Reise Richtung Klimaneutralität. In Ober-Grafendorf (NÖ) hat Bürgermeister Rainer Handlfinger (SPÖ) den Klimanotstand ausgerufen: „Unsere Region leidet immer häufiger unter Unwettern mit Regenmengen, die man eigentlich bei der Apokalypse erwarten würde. Die Temperatur der Pielach ist in den letzten 40 Jahren um einige Grad gestiegen. Fischwanderungen finden nicht mehr statt, weil die Flusstemperaturen zu hoch sind. Wälder trocknen aus. Viele sagen dann: Wir müssen was tun! Ich beobachte, dass die Gesellschaft schon weiter ist als die Politik. Daher bin ich froh darüber, dass im Klimarat jetzt die Bevölkerung vorangeht.“
„Am Anfang ist es nicht einfach gewesen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Nun ist Obergrafendorf E5- Gemeinde, Klima- und Energie-Modellregion, und KLAR-Region. Das alles sind Programme, die Veränderung voranbringen. Arbeiten für die Menschen ist wichtig, aber Arbeiten mit Menschen ist noch viel wichtiger, Bürger und Bürgerinnen müssen mit an Bord geholt werden. Ich erwarte mir, dass s wir lokal handeln aber global denken, d.h. dass wir soziale Gerichtigkeit nicht außer acht lassen, Menschen aus allen Schichten, aus allen politischen Couleurs, müssen mitgenommen werden. Man braucht furchtloses Herangehen, und das passiert mit einem Bürgerrat.“ so Handlfinger weiter.

Wichtig ist, dass entsprechende Transparenz gegeben ist, jedem muss es möglich sein, mehr über die Ergebnisse des BürgerInnenrats zu erfahren. Die großen Themenkomplexe, mit denen sich der Klimarat beschäftigen wird, sollen Ernährung, Landwirtschaft, Energie, Produktion, Konsum, Wohnen, Mobilität und soziale Gerechtigkeit sein.

Unabhängigkeit ist höchstes Credo des Klimarats. Zusätzlich zum wissenschaftlichen Beirat wurde eine Beratungsgruppe mit Vertreter:innen von WKO, AK, ÖGB, Landwirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Klimavolksbegehren, Bundesjugendvertretung, Ökobüro, Umweltdachverband, Armutskonferenz, und Globale Verantwortung gestartet. Diese stellt sicher, dass unterschiedliche Perspektiven in der Klimadebatte berücksichtigt werden.

Im Frühjahr 2022 kann ganz Österreich Teil des Klimarates werden: Möglich machen soll das eine Online-BürgerInnenbeteiligung, bei der Zwischenergebnisse des Klimarates mit Interessierten diskutiert und um wertvolles, lokales Wissen bereichert werden können.

Eines ist fix: Der Klimarat ist eine immense Chance, für den Klimaschutz und für die Demokratie. Bürger und Bürgerinnen, sind oft klüger und trauen sich mehr als die Politik, das ist die Erfahrung von bisherigen BürgerInnenräten zum Klimaschutz. Darauf sollten wir setzen, denn die Klimakrise braucht vollen Einsatz.

Mehr Info:

klimarat

Einige Mitglieder unserer Redaktion setzen sich seit mehreren Jahren in der NGO "WIR ENTSCHEIDEN KLIMA" für den "Klimarat" ein.
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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /