© ivabalk auf pixabay.com/ AKW Temelin
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EU: Streit um die Zukunft der Atomenergie

Die Ziele der Europäischen Union sind eigentlich klar: Klimaneutral bis 2050, bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent reduzieren.

Aber kann da Atomkraft überhaupt eine Rolle spielen? Diese Frage spaltet die EU.

Pro und Contra

Eines scheint offensichtlich: Frankreich ist der entschlossenste Befürworter der Kernenergie. Polen, Ungarn, Tschechien, Rumänien, die Slowakei und Slowenien sprechen sich ebenfalls ür einen Ausbau der Atomkraft aus. Frankreich ist immer noch "Atomland Nr 1" in Europa. Gleich hinter den USA und China liegt es derzeit auf Platz drei der größten Produzenten von Atomstrom.

Deutschland hat nach dem Reaktorunfall von Fukoshima 2011 den Atomausstieg bis 2022 beschlossen, drei Reaktoren gingen per Jahresende 2021 vom Netz, die anderen folgen. Einen Ausstieg macht auch Belgien, aber erst bis 2025.Österreich und Luxemburg sprechen sich schon lange klar gegen Atomkraft aus. Derzeit sind etwa 110 Reaktoren in der EU in Betrieb, das ist ca. ein Viertel der Atomkraftwerke weltweit.

Frankreich plant derzeit den Bau neuer Meiler. Das Argument dafür von Seiten Frankreichs: Die europäischen Klimaziele können nur mit Einsatz von Atomkraft erreicht werden, weil sie weniger CO2-Emissionen als Kohlekraftwerke verursacht.

Deutschland, Österreich und andere weisen vor allem auf die Risiken der Endlagerung von Atommüll hin: Müll, der eine Million Jahre sicher gelagert werden muss! Auch Klimaschutzorganisationen wie Global 2000, der WWF und Greenpeace sprechen sich klar gegen den Versuch, Atomstrom als grün einzustufen, aus. Die Risiken werden immer noch "systematisch unterschätzt", Endlagerung weiterhin ungeklärt.

Heiße Debatte in Brüssel

Das Thema wird zusätzlich brisanter durch eine Neuerung, die Kritiker als heikel einstufen: Die EU-Kommission arbeitet derzeit an der Taxonomie - einem Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen. Durch diese Taxonomie sollen Bürger und Investoren klare Informationen über nachhaltige Finanzprodukte erhalten. Nach dem nun präsendierten Entwurf dieses Klassifizierungssystems würde die Atomenergie eine Art grünes Label bekommen. Die mögliche Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energieform sorgt für heftige Kritik.

Deutschland lehnt es ab, Atomkraft in die Taxonomie aufzunehmen. Österreich hat sich auch ganz klar gegen ein "grünes" Label für die Atomkraft ausgesprochen. "Österreich positioniert sich ganz klar gegen Atomenergie", so der österreichische Kanzler Karl Nehammer. Bei der Kernspaltung entsteht umweltschädlicher radioaktiver und ewig strahlender Müll.

Wenn Ende 2022 im letzten deutschen AKW die Lichter ausgehen, strahlt der über Jahrzehnte angehäufte Atommüll in großen Mengen weiter. Expertinnen und Experten erwarten bis 2080 rund 10 500 Tonnen hoch radioaktiver Abfälle aus Brennelementen. Sie sollen irgendwann in einem Endlager ruhen, das offiziell bis 2031 gefunden sein soll, aber auch hier gibt es Widerstand, genauso wie in Tschechien. Regionen und Gemeinden wollen keine Endlager.

Geht der Taxonomie Entwurf durch, so könnten vor allem in Frankreich geplante Investitionen in neue Akw als grün klassifiziert werden, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen. Dazu muss aber ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens bis 2050 vorgelegt werden und diese neuen Anlagen müssen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten. Die Realität zeigt, dass neue Atomkraftwerke einfach viel zu teuer sind. Strom aus erneuerbaren Energien kostet nur einen Bruchteil des Stroms aus Atomkraftwerken, wenn es keine Subventionen für Atomkraft gibt.

Der Vorschlag der EU-Kommission gilt als Zugeständnis an Länder wie Deutschland und Frankreich. Der EU-Kommission meint, die Taxonomie solle es den Mitgliedstaaten möglich machen, "sich von ihren sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen aus in Richtung des gemeinsamen Ziels der Klimaneutralität zu bewegen". Daher könnten Investitionen in Erdgas und Kernenergie einen Beitrag leisten, den Wechsel zu Energiequellen mit geringeren Emissionen zu beschleunigen. Wobei die Frage, was wirklich klimafreundlch ist, eigentlich klar zu beantworten wäre.

Nun haben die Mitgliedstaaten der EU Zeit, den Entwurf bis 12.Jänner zu kommentieren. Die Umsetzung kann nach Angaben der EU-Kommission nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament. Dass dieser Fall eintritt, gilt jedoch derzeit leider als unwahrscheinlich: Neben Deutschland sind es derzeit nur es nur Länder wie Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal, die sich klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft aussprechen. Aber Kritik kommt auch aus Spanien und aus Italien.

Die Zeit titelt zu recht: "Ein Supergau für das Klima". Kein guter Beginn für 2022, wenn diese Taxonomie durchgeht.

Quellen: Konferenz der Zukunft Europas und NGOs.



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /