© Parlamentsdirektion Thomas Topf / Sitzung des Nationalrates
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Nationalrat: Schulterschluss gegen Greenwashing von Atomkraft durch die EU

Gewessler kündigt in Aktueller Stunde mögliche rechtliche Schritte an

"Atomkraft ist keine Lösung für den Klimaschutz". Diese Überzeugung gegen das Greenwashing von Atomkraft wurde nun im Nationalrat im Rahmen einer Aktuellen Stunde mit eben diesem Titel von allen Fraktionen einmal mehr bekräftigt. Einer Renaissance der Atomkraft wurde von allen mit Nachdruck eine klare Absage erteilt. Sie ist zu gefährlich, führe zu einer Explosion ohnehin enormer Baukosten und ist damit auch viel zu teuer. Außerdem dauert der Bau von Atomkraftwerken viel zu lange. Darüber waren sich die Fraktionen auch im Hinblick auf die internationalen Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart, vor allem aber auch in Erinnerung an die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima, einig. Zudem würden viele Probleme, an vorderster Stelle die Atommüllentsorgung, einer Lösung harren, waren viele warnende Stimmen zu hören.

Die Grünen hatten das Thema deshalb gewählt, weil in der EU in den kommenden Tagen, wie Ministerin Leonore Gewessler betonte, die Entscheidung über den ergänzenden delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomieverordnung ansteht und die Gefahr besteht, dass darin die Atomkraft wie auch das fossile Erdgas als grüne nachhaltige Energie eingestuft wird. Die besagte Verordnung stellt ein Klassifizierungssystem dar und soll im Zuge des EU-Klimaschutzpakets Green Deal Richtlinien für grüne Finanzinvestments geben. Sollte die Atomkraft tatsächlich aufgenommen werden, kündigte die Ministerin eine Klage an.

Auch wenn in Bezug auf die Ziele der Energiewende und die inhaltlichen Positionen dazu kaum Unterschiede in der Debatte auftauchten, warf die Opposition der Regierung Ankündigungspolitik vor und listete die in ihren Augen bestehenden Versäumnisse auf.

Gewessler kündigt mögliche rechtliche Schritte gegen delegierte EU-Taxonomieverordnung an

Die Atomlobby versuche, die Atomkraft unter dem Deckmantel des Klimaschutzes am Leben zu erhalten, kritisierte Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, die Debatte auf EU-Ebene scharf. Atomkraft dürfe nicht als nachhaltiges Investment gelten, unterstrich sie ihre Sorge um den geplanten delegierten Rechtsakt und hielt fest, dass es auch keine rechtliche Basis für die Atomkraft in diesem Zusammenhang gebe. Dies habe auch ein umfassendes Rechtsgutachten, das ihr Ressort in Auftrag gegeben hat, bestätigt. Man werde daher im Falle des Falles mit rechtlichen Schritten gegen den gesamten Rechtsakt vorgehen, kündigte Gewessler an und forderte faire Rahmenbedingungen für die erneuerbare Energie. Die enormen Baukosten für AKWs wären wesentlich besser in Energieeffizienz und erneuerbare Energieformen investiert, stellte sie fest.

Energiewende ist ohne Atomkraft umsetzbar

Diese Position wurde auch von den grünen Abgeordneten untermauert. So wies Martin Litschauer (Grüne) darauf hin, dass auch die neue Baureihe von Kernkraftwerken, genannt EPR, keineswegs sicher sei und man Konstruktionsfehler festgestellt habe. Die Atomkraft als eine grüne Technologie zu bezeichnen, lehnte er strikt ab und warnte zudem, dass Atomtechnologie auch militärischen Zwecken dient. Es müsse daher Schluss damit sein, Geld in eine Technologie zu pumpen, die nicht marktreif ist, spielte er auf die hohen Errichtungskosten von AKWs an und meinte, im Gegensatz zur Atomkraft seien die Erneuerbaren wesentlich billiger und könnten wesentlich rascher gebaut werden. Litschauer würdigte den Mut der ÖsterreicherInnen von 1978, nein zu Atomkraft gesagt zu haben, und forderte diesen Mut auch von der EU-Kommission ein.

Ins gleiche Horn stieß seine Klubkollegin Astrid Rössler, die sich für ein maßvolles, sparsames, behutsames und technisch beherztes Vorgehen aussprach, um die Energiewende zu vollziehen. Als wesentliche Herausforderungen sah sie die Reduktion des Energieverbrauchs, eine Änderung des Mobilitätsverhaltens und die Abkehr von der systematischen Überproduktion und Verschwendung. Ohne Reduktion des Energieverbrauchs werde man die Klimakrise nicht bewältigen, sagte Rössler und brandmarkte vor allem auch den viel zu hohen Bodenverbrauch, der einen enormen zusätzlichen Energieverbrauch und Abfall verursache. Sie prangerte auch die Vernichtung von Lebensmitteln und die Verschwendung von Textilien und Elektrogeräten, verursacht unter anderem auch durch den steigenden Online-Handel, an. Als einen wichtigen Hebel für die Änderung im Mobilitätsverhalten bezeichnete sie die Hinterfragung von Straßenprojekten. In diesem Zusammenhang warf Lukas Hammer (Grüne) der SPÖ vor, von der Ökologiebewegung nichts gelernt zu haben, wie man das jetzt auch beim Lobau-Tunnel sehe. Er ging auch scharf mit den von ihm so bezeichneten "Drohbriefen" ins Gericht, die nicht nur an BaustellenbesetzerInnen ergangen seien, sondern auch an Kinder und WissenschaftlerInnen, und forderte die SPÖ auf, diese Klagsdrohungen zurückzuziehen.

Entschieden gegen Atomkraft auftreten

Der ehemalige Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) unterstützte die Linie Gewesslers in der Atomfrage ebenso wie Johanna Jachs (ÖVP). Jachs sieht ein massives Problem nicht nur bei der Sicherheit von AKWs, sondern auch in der Frage der Endlagerung von Atommüll. Diese Lager würden von den betreffenden Staaten an deren Grenze gelegt. Sie appellierte daher, entschieden gegen die Atomkraft auf allen Ebenen aufzutreten.

Er habe versucht, eine Allianz der atomfreien Staaten zu etablieren, erinnerte Berlakovich. Es sei auch gelungen, innerhalb der EU Stresstests durchzusetzen. Diese hätten gezeigt, dass viele AKWs nicht sicher seien, die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis seien leider ausgeblieben, stellte er mit Sorge fest. Auch die Ausbaupläne in China, Russland, Indien, in den USA, Großbritannien und anderen Ländern bereiten ihm Sorge. Beim Bau und Betrieb von Atomkraftwerken gebe es auch keine Kostenwahrheit, ging Berlakovich auf die enormen Summen dafür ein und zeigte kein Verständnis, dass man in der EU zwar darüber diskutiere, ob die Atomkraft als nachhaltiges Investment in die Taxonomieverordnung aufgenommen werden soll, nicht aber die Land- und Forstwirtschaft.

Es droht ein historischer Fehlschlag in der EU-Klimapolitik

Die SPÖ reihte sich in den Reigen der warnenden Stimmen ein und befürchtete einen "drohenden historischen Fehlschlag in der EU-Klimapolitik", wie dies Julia Elisabeth Herr (SPÖ) formulierte. Wenn es nicht gelingt, das Ruder herumzureißen, dann werde Atomenergie gefördert, obwohl allein schon in Bezug auf die Kosten die Erneuerbaren die Atomkraft längst überholt hätten. Abseits der Sicherheitsbedenken und ohne Supergau steht für Herr vieles auf dem Spiel, insbesondere auch was die Atommüllentsorgung betrifft.

"Ziehen sie auf EU-Ebene einen Schlussstrich", so der Appell von Herr, gefördert werden müssten erneuerbare Energien. Wie Alois Schroll (SPÖ) forderte Herr aber auch die Bundesregierung auf, die To-do-Liste abzuarbeiten, um die 100%ige Versorgung Österreichs mit grünem Strom bis 2030 zu erreichen. Österreich könne damit zeigen, dass es auch ohne Atomstrom geht, sagte Schroll, der jedoch die entsprechenden innenpolitischen Schritte vermisste. So fehle seit Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) vom Sommer dieses Jahres die Notifizierung durch die EU. Es gebe dennoch keinen Gesetzesvorschlag im Zusammenhang mit den Kritikpunkten der Kommission, bemängelte Schroll. Keiner könne sagen, ob rechtzeitig eine Einigung mit der Kommission zustande kommt, bevor das neue Beihilfenrecht in Kraft tritt. Dennoch gebe es die Möglichkeit, Ökostromanlagen mit Investitionsförderungen zu unterstützen, sagte Schroll. Im Gegensatz dazu sei ein Stillstand beim Ökostromausbau festzustellen. Schroll drängte zudem auf einen Vertrag für die Abwicklungsstelle für Ökostrom, OeMAG.

FPÖ kritisiert Belastungen der Bevölkerung im Rahmen des Energieumstiegs

Seitens der FPÖ wurde zwar die Klagsdrohung durch Ministerin Gewessler begrüßt, das allein sei aber zu wenig, hielt Gerhard Deimek (FPÖ) fest. Eine klare Positionierung reiche nicht, es gehe auch darum, nun kühl und strategisch zu überlegen. Deimek sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, andere Länder beim Umstieg auf erneuerbare Energie zu unterstützen. Man brauche Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene, unterstrich auch Walter Rauch (FPÖ). Man müsse so auftreten und handeln, dass die EU über uns nicht hinwegkommt, forderte er.

Harsche Kritik übte Rauch an den innenpolitischen Maßnahmen der Ministerin und der gesamten Regierung. Österreich sei zwar Weltmeister bei den Erneuerbaren, die Bevölkerung werde aber zusätzlich belastet, lautete sein Vorwurf. Rauch nannte in diesem Zusammenhang die NoVA, die Steuerreform und das Kippen von Straßenprojekten. Der Ausbau der E-Mobilität werde sich nicht ausgehen, warnte er vor einem Kollaps in Bezug auf die Energieversorgung, da nicht genug Strom da sein werde. Auch fehlt ihm die Thematisierung der Frage der Atomendmülllager. Man wisse bei Seibersdorf nicht, was damit gemacht wird, wer liefert und wohin geliefert wird.

NEOS orten zahlreiche innenpolitische Versäumnisse in der Klima- und Energiepolitik

Auch die NEOS ließen keinen Zweifel an ihrer strikten Anti-Atomhaltung, sie vermissten aber wie die beiden anderen Oppositionsparteien notwendige Schritte der Bundesregierung, um die Klima- und Energieziele auch zu erreichen. Ihnen fehlen ein Klimaschutzgesetz, die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen, ein Energieeffiziengesetz, ein Gaspaket, eine Bodenschutzstrategie, eine Reform der Umweltverträglichkeitsprüfung, eine Biodiversitätsstrategie und eine Wasserstoffstrategie. Auch warte man auf einen Masterplan für den Güterverkehr.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /