© Paavo Blafield / PV-Anlage
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Klimaneutralität 2040: Täglich müssen in Baden-Württemberg mehr als 140 Photovoltaikanlagen errichtet werden

Neue Photovoltaikpflicht wichtiges Instrument zur Erreichung der Ziele / Attraktive Vergütung und Moratorium bei Degression nötig, um den Solarausbau zu stemmen

Die neue Landesregierung in Baden-Württemberg will den Südwesten Deutschlands bis 2040 klimaneutral machen. Eine tragende Säule beim Vorantreiben der Energiewende ist der Ausbau der Photovoltaik. Wie viele Solarstromanlagen bis zum Zwischenziel im Jahr 2030 konkret erforderlich sind, hat jetzt das Solar Cluster Baden-Württemberg berechnet. Allein auf Hausdächern sind im Südwesten rund 140 neue mittelgroße Photovoltaikanlagen erforderlich – pro Tag. Der nötige Zuwachs soll durch die ab 1. Mai 2022 geltende Photovoltaikpflicht für Häuslebauer angekurbelt werden. Die Neuregelung wird am 22. Juli in den Landtag eingebracht. Ab 2023 ist die Pflicht zusätzlich bei grundlegenden Dachsanierungen vorgesehen. Parallel sei aber auch ein Moratorium bei der stark sinkenden Einspeisevergütung für Solarstrom für Anlagen unter 100 Kilowatt installierter Leistung und eine attraktive Vergütung für die Ökostromanlagen notwendig, fordert Franz Pöter vom Solar Cluster. Dies wiederum müsse eine zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung sein.

Genauso wichtig wie die Solarpflicht ist eine freiwillige Solaroffensive im Bestand. Künftig müssen pro Tag rund 140 mittelgroße Photovoltaikanlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern mit einer installierten Leistung von zehn Kilowatt errichtet werden, haben die Fachleute des Branchenverbandes errechnet. Bei Gewerbegebäuden sind jeden Tag zwei neue 300-Kilowatt-Anlagen erforderlich, bei Freiflächenanlagen sind im Jahr 30 Solarparks in einer Größe von 10 Megawatt nötig. Zusammengenommen braucht der Südwesten eine neu installierte Leistung von mindestens 1.000 Megawatt pro Jahr, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Hier ist noch viel Luft nach oben: 2020 wurden nur 60 Prozent erreicht, in den Jahren zuvor waren es sogar deutlich weniger.

Photovoltaikpflicht wichtige Maßnahme, um das Ziel zu erreichen

Ein wichtiges Instrument, um dem Zubauziel näher zu kommen, ist die Photovoltaikpflicht auf Gebäuden: Für alle privaten Neubauten und bei größeren Renovierungen von Dächern soll künftig eine Solarpflicht gelten. Ab 1. Mai 2022 gilt eine Photovoltaik-Pflicht für Eigentümer von neuen Wohngebäuden. Ab 1. Januar 2023 müssen die Eigentümer bei einer grundlegenden Dachsanierung eine Solarstromanlage errichten.

Für neu errichtete, gewerblich genutzte Gebäude – Bürogebäude, Schulen oder Supermärkte – hat das Land die Photovoltaikpflicht bereits seit vergangenem Jahr beschlossen. Sie tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen auch auf neuen Parkplätzen Photovoltaikanlagen installiert werden. Bislang galt dies für eine Größe ab 75 Stellplätzen – nun hat die Landesregierung die Stellplatzanzahl auf 35 gesenkt. Hier sind jetzt Kommunen und Unternehmen gefordert, für eine schnelle Umsetzung zu sorgen. Nicht nur bei neuen Parkplätzen, sondern auch bei bestehenden. Einkaufszentren und andere Einzelhandelsunternehmen könnten so eine wichtige Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen und gleichzeitig die Bequemlichkeit für Ihre Kunden erhöhen: Wer dort einkauft, kann solange sein E-Auto aufladen. Die Solarüberdachungen bieten außerdem Schutz vor Regen und im Sommer vor Überhitzung.

„Das Landesgesetz allein wird den Ausbau der Solarstromerzeugung jedoch nicht ausreichend vorantreiben können“, sagt Solar-Cluster-Geschäftsführer Franz Pöter. Es braucht auch deutlich mehr Photovoltaikanlagen auf Gebäudedächern, die nicht unter das Gesetz fallen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Um beim Ausbau größere Fortschritte zu erzielen, muss sich die neue Landesregierung auf Bundesebene für eine angemessene Vergütung der Solarstromanlagen einsetzen, fordert Pöter. Das würde einen zusätzlichen Nachfrageschub auslösen.

Bessere Rahmenbedingungen auf Bundesebene erforderlich

Konkret geht es unter anderem um den „atmenden Deckel“ im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), der bereits bei einem niedrigen Solarzubau eine niedrigere Einspeisevergütung für Neuanlagen vorsieht. Aktuell sinkt die Einspeisevergütung jeden Monat deutlich, im Fachjargon Degression genannt. Im Januar lag sie für Anlagen bis zehn Kilowatt installierter Leistung bei 8,16 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde, derzeit liegt sie nur noch bei 7,74 Cent. Eine Neuanlage, die im Januar angeschlossen wurde, erhält entsprechend für 20 Jahre eine höhere Vergütung als eine, die in diesem Monat an das Netz geht. Pro Jahr sinkt die Vergütung derzeit um rund 15 Prozent.

Das Problem: Da die Anlagenpreise derzeit nicht mehr fallen oder durch den steigenden Aufwand für Handwerksleistungen sogar steigen, wird die Vergütungssenkung nicht aufgefangen. Solarstromanlagen sind aus diesem Grund für Hauseigentümer weniger profitabel. „Das sollte schleunigst geändert werden, da die Regelung die Energiewende auf dem Dach gefährdet“, sagt Pöter. Ein nötiges Werkzeug hierfür ist ein Moratorium, also ein vorübergehender Stopp oder zumindest eine Verlangsamung der Degression bei der Vergütung. Über eine Erhöhung des Zubauziels spätestens ab dem 1. Januar 2022 von 2.500 Megawatt pro Jahr auf 10.000 bis 15.000 Megawatt, wie es auch die Wissenschaft fordert, könne dies ganz einfach erreicht werden, so Pöter. Damit hätten auch die Handwerksbetriebe im Photovoltaikbereich eine solide, attraktivere Kalkulationsbasis und können dringend benötigtes Personal ausbilden und schulen.  

Weitere Verbesserungen nötig

Auch bei Solarparks auf freiem Feld, schwimmenden Anlagen auf Baggerseen oder der Agri-Photovoltaik in der Landwirtschaft sind Verbesserungen der Rahmenbedingungen erforderlich. Die nötigen Änderungen erstrecken sich von der Genehmigung über Flächenausweisungen bis hin zu Ausschreibungs- und Vergütungsfragen. Es gibt in Sachen Solaroffensive also noch viel zu tun, nicht nur in Baden-Württemberg.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /