© Emilian Robert Vicol aud pixabay
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Wohin mit der ganzen Kohle? - Divestment im Gesundheitssystem

Gesundheitsaktivist*innen verdeutlichen die Widersprüche der deutschen Gesundheitspolitik

Berlin 1 – Anlässlich des Weltgesundheitstages veröffentlichte die Aktionsgruppe Gesundes Klima des Netzwerks Kritische Mediziner*innen Deutschland mit Unterstützung weiterer Gesundheitsgruppen diese Woche ihr Positionspapier „Wohin mit der ganzen Kohle? - Divestment im Gesundheitssystem". Sie fordern ein gezieltes und transparentes Abziehen von Geldanlagen der gesundheitsverwandten Bereiche wie den Versorgungswerken und den gesetzlichen und private Krankenkassen aus klimaschädlichen und ethisch bedenklichen Wirtschaftszweigen. Mit ihren Positionen appellieren sie gezielt an die gesellschaftliche und globale Verantwortung des Gesundheitssektors als Vorbild und Orientierung in Krisen. Carlotta Conrad von der IPPNW (Ärzte in soziale Verantwortung) stellt sich klar hinter diese Forderungen: „Jeder Euro, der in die fossile Energiewirtschaft investiert wird, befeuert die Klimakrise und ist eine Investition in die Bedrohung der globalen Gesundheit."

Auch die renommierte medizinische Fachzeitschrift The Lancet beschreibt die Klimakrise seit Jahren als "die größte Gefahr für die globale Gesundheit im 21. Jhd.". Zudem würden durch sie soziale und globale Ungleichheiten drastisch verstärkt, so die Aktionsgruppe Gesundes Klima. Einen erheblichen Anteil hieran habe die fossile Energiewirtschaft (d.h. Kohle-, Erdöl-, Gasverstromung etc.) und alle Investitionen, die diese mit Kapital unterstützen. Schon 2010 seien beim Deutschen Ärzt*innentag (DÄT) ethisch geprüfte Investitionen gefordert worden. Im Hinblick auf den nächsten DÄT in einem Monat sei es nun höchste Zeit, sich geschlossen und klar zusätzlich auch für ökologisch-nachhaltige Investitionen zu positionieren. "Geld des Gesundheitssektors in fossile Energiewirtschaft anzulegen, bedeutet in belegbare Krankheitsursachen zu investieren - das ist absurd und unverantwortlich", so Jule von Health for Future Aachen.

Insgesamt handele es sich bei den genannten Anlagen um eine Summe von über 400 Mrd. ¤. Trotz mehrfacher Forderungen nach Offenlegung der Aktienanlagen und Divestment in den vergangenen Jahren, verwehre ein Großteil der Versorgungswerke die Einsicht in die Anlagekriterien. "Es ist absolut inakzeptabel, dass Ärzt*innen verpflichtet sind in Versorgungswerke einzuzahlen, ohne Auskunft über die Verwendung ihrer Gelder zu erhalten", meint die Ärztin Marlene Hausmann aus der Gruppe KritMed Dresden und ergänzt: "In einem ökonomisierten Gesundheitssystem werden Gewinne erwirtschaftet, welche durch Investitionen in klima- und gesundheitsschädliche Unternehmen und Industrien fließen. Dies steht deutlich im Widerspruch zur ärztlichen Pflicht, sich in den Dienst der Gesundheit von Menschen zu stellen".

Entsprechend dieser Verantwortung solle Divestment ein klares Signal an Politik, Unternehmen und Investor*innen senden: ein auf Verbrennung fossiler Energien basierendes Geschäftsmodell kann angesichts der Klimakrise keine Legitimität mehr beanspruchen. Divestment würde somit zu einem wichtigen Zeichen gegen Profitorientierung und für den Schutz von unseren Lebensgrundlagen. Jedoch weisen die Gesundheitsaktivist*innen auch auf die zunehmende Entwicklung des Gesundheitssektors selbst als Wirtschaftszweig hin. So könne niemals eine adäquate bedürfnisorientierte Gesundheitsversorgung aller Menschen geleistet werden. "Unsere Forderung nach einem klimagerechten Gesundheitssystem, muss daher mit der Forderung nach Gesundheitsgerechtigkeit und dem Hinterfragen der bestehenden Strukturen einhergehen.", erklärt hierzu Willy Mitkop der Aktionsgruppe Gesundes Klima und ergänzt: "Der Streit für Divestment, Klimagerechtigkeit und einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung in öffentlicher Hand gehören zusammen! Die Gesundheitsversorgung – als Wirtschaftszweig gedacht – kann niemals klimagerecht sein!"


Link zum Positionspapier „Wohin mit der ganzen Kohle? - Divestment im Gesundheitssystem"


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /