© Gerd Altmann - pixabay.com
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Den Klimawandel mit alternativen Kontrollstrategien bekämpfen

Wissenschaftler*innen vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und von der Universität Washington schlagen eine alternative Strategie zur Kontrolle der Treibhausgase und des globalen Klimasystems vor.

In ihrer in Climatic Change veröffentlichten Studie beschreiben sie die Vorteile von Konzepten aus der Regelungstheorie, insbesondere die Regelung durch geschlossene Kreisläufe. Die Wissenschaftler zeigen damit, wie die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre als ein Problem der Staukontrolle behandelt werden kann. Sie kann geregelt werden indem kontinuierlich berechnet und kontrolliert wird, wie viele Emissionen fossiler Brennstoffe maximal erlaubt sind.

Wissenschaftler*innen weltweit erforschen verschiedene Optionen, um den Anstieg von klimaschädlichen Treibhausgasen in der Atmosphäre zu reduzieren. Dazu zählen Maßnahmen wie das großflächige Anpflanzen von Bäumen um mehr CO2 aus der Atmosphäre in Biomasse einzubauen, neue Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, aber auch das Einbringen von Aerosolen in die Atmosphäre, um die wärmende Sonneneinstrahlung zu verringern. Alle Maßnahmen verfolgen das Ziel, den gesamten Kohlenstoffkreislauf und die Energiebilanz unserer Erde zu steuern - ein ambitioniertes Unterfangen mit unbekannten Auswirkungen und ohne Garantie auf Erfolg.

Andererseits ist der Mensch bereits sehr erfolgreich in der Steuerung diverser komplexer Systeme, bei denen erweiterte Konzepte der mathematischen Steuerungstheorie angewandt werden. Beeindruckende Beispiele dafür sind autonome Transportfahrzeuge, Roboter in Montagelinien und das Regulieren von Staus in Verkehrs- und Kommunikationsnetzen. Trotz ihres großen Potentials wurden diese mathematischen Konzepte in den Klimawissenschaften und der Klimapolitik bislang kaum angewandt.

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und eine Kollegin der Universität Washington, USA, haben nun einen wichtigen Fortschritt erzielt, indem sie Konzepte der Kontrolltheorie in die Erdsystem-Modellierung integrierten. „Klimamodelle sind hochkomplex und in einer Art und Weise programmiert, die abstrakte mathematische Analysen erschwert. In unserer Studie haben wir einen mathematischen Rahmen entwickelt, der die Manipulation von Modellen des Klimas und des Kohlenstoffkreislauf erlaubt und in dem wir formale Kontrollkonzepte anwenden können“, erklärt Dr. Carlos Sierra, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und Hauptautor der Studie.

Sierra konnte nach Anwenden dieser Konzepte bestätigen, dass die aktuelle Herangehensweise in den Klimawissenschaften und der Politik vor allem auf Langzeit-Szenarien zum Ausstoß von Treibhausgasen und deren Minderung basiert. In der mathematischen Kontrolltheorie kann man dies mit einer offenen Steuerung (open-loop) vergleichen. Hierbei erhält das System Instruktionen, um ein spezifisches Ziel zu erreichen, es wird aber nicht laufend überprüft, ob das Ziel auch erreicht wird. Im Gegensatz dazu sind geschlossene Regelungskreisläufe mit Rückkopplungen (closed-loop) eine wirksamere Form der Kontrolle. Sie nutzen kontinuierliche Beobachtungen und überprüfen, ob die Maßnahmen greifen. Weichen die Ergebnisse vom Ziel ab, wird rechtzeitig nachjustiert. „Das ist so ähnlich wie bei einer Waschmaschine und einem Kühlschrank“, erklärt Sierra, „Die Waschmaschine spult anhand vordefinierter Instruktionen ihre Programmpunkte ab, ohne zu überprüfen, ob die Wäsche tatsächlich sauber oder trocken genug ist. Das ist open-loop. Der Kühlschrank dagegen überprüft fortwährend die Innentemperatur und kühlt oder pausiert je nach Bedarf, also closed-loop.“

In Analogie dazu zeigen die Autoren, dass die Kohlendioxid-Mengen in der Atmosphäre mit den gleichen mathematischen Instrumenten kontrolliert werden können, mit denen Staus in Kommunikationsnetzen und im Verkehr verhindert werden. Die Ozeane und die Landbiosphäre sind wichtige Senken für Kohlendioxid. Auf natürliche Weise nehmen sie dieses Gas aus der Atmosphäre auf und speichern es über lange Zeiträume, allerdings ist ihre Kapazität dafür begrenzt. Wenn wir trotzdem immer mehr Kohlenstoff aus fossilen Quellen freisetzen, sammelt sich Kohlendioxid in der Atmosphäre an wie in einem Verkehrsstau. Stauprobleme sind komplex, jedoch verfügt die Kontrolltheorie über effektive Methoden, sie zu lösen. Sierra und seine Kolleg*innen zeigen in ihrer Studie auf, wie man mathematisch ein konstantes Niveau von Kohlendioxid aufrechterhalten kann. „Wir wenden Regelungsmechanismen an, die nur so viele Emissionen erlauben, wie die momentanen Aufnahmekapazitäten der Ozeane und der Landoberfläche es zulassen“, erklärt Sierra.

Die von Sierra geleitet Studie könnte der Beginn neuer Konzepte für die Steuerung der Kohlenstoffmengen in der Atmosphäre und der globalen Energiebilanz sein. Dieses Herangehen basiert weniger auf Zukunftsszenarien, sondern vermittelt laufend spezifische Handlungsanweisungen, die an die aktuellen Umstände angepasst sind.

Dr. Eberhard Fritz


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /