© ejaugsburg auf Pixabay
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Klimaschutz ist Vernunft

Wirtschaftskammer und Industrie wollen Klimaziele mit "Hausverstand" - NGOs und Firmen geben Konter, denn weniger Klimaschutz schadet der Wirtschaft in Österreich

Noch diese Woche wird der Europäische Rat die Klimaziele 2030 beschließen. Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV) halten in einem gemeinsamen "Appell an die Vernunft" die Klimaziele für überzogen. Sie ordern "Klimaschutz mit Hausverstand". Denn die Gefahr, dass Industriebetriebe ihre Produktionen dorthin verlagern, wo sie geringe Emissionskosten haben, ist bei allzu hochgesteckten Klimazielen groß.

Bei einem CO2-Reduktionsziel von 55 Prozent steigen die Kosten für ETS-Zertifikate von derzeit rund 25 Euro je nach Berechnung auf 50 bis 76 Euro, dies könnte massive Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben, denn allein in der energieintensiven Industrie sind in Österreich 135.000 Menschen beschäftigt. Sie schlagen vor, den European Green Deal um wichtige Bausteine zu ergänzen. Dazu zählen etwa langfristig ausgerichtete Investitionsprogramme, die passenden Rahmenbedingungen für die Wasserstoffproduktion und raschere Genehmigungsverfahren. Denn bei Investitionen in Klimaschutzprojekte, deren Genehmigung sich über acht bis zehn Jahre zieht - wie bei einer Reihe von aktuellen Projekten der Fall - kommen die Investitionen zur Erreichung der verschärften Reduktionsvorgaben viel zu spät.

Gleichzeitig stellten sie zehn Forderungen vor, um Klimaschutz in vernünftiger Weise umzusetzen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und der Gesamtwirtschaft zu erhalten. Sie reichen von der Nutzung der Chancen im Inland, indem es stabile Rahmenbedingungen etwa für Gebäudesanierung und einen entsprechenden Infrastrukturausbau gibt, über die Nutzung der Chancen im Ausland durch verstärkte Exporte von nachhaltigen Technologien bis hin zu ausreichend Gratis-Zertifikaten für die Industrie. Außerdem müsse es Ziel der EU sein, globale Partner zu gewinnen, denn Klimaschutz kennt keine nationalen Grenzen.

Zukunft der Wirtschaft verschlafen

"Einmal mehr zeigen Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung mit ihrer Blockadehaltung, dass sie die Zukunft der Wirtschaft in Österreich verschlafen haben", bemerkt Christoph Wagner, Präsident des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ). Während ihre Mitglieder vor dem EU-Ministerrat ambitionierte Zielsetzungen fordern, steht die Wirtschaftskammer (WKO) wieder auf der Bremse. "Schon lange beobachten wir, dass die Wirtschaftskammer in Sachen Klimaschutz und Energiepolitik nicht die Meinung eines großen Teils der österreichischen Wirtschaft vertritt. Ihre Haltung dazu ist rückwärtsgewandt und blockiert die Innovationskraft der österreichischen Unternehmen!", findet Wagner klare Worte und ergänzt: "Vielmehr ist der Ausbau der erneuerbaren Energien die Grundvoraussetzung für eine florierende Wirtschaft der nahen Zukunft. Die erneuerbaren Energien stabilisieren den Strompreis, garantieren damit ein sicheres Wirtschaftsumfeld in Österreich und schaffen die dringend benötigen Arbeitsplätze."

Auch bei den Diskussionen um das neue Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) scheinen sich die Anstrengungen der Wirtschaftskammer nur auf eine Ausbaueinschränkung und eine unbedingte und absolute Deckelung der Kosten für den Ausbau erneuerbaren Stroms zu konzentrieren und nicht auf die Sicherstellung der Erreichung einer eigenständigen erneuerbaren Stromversorgung für Österreich. "Es ist absurd, wie rückwärtsgewandt, kurzsichtig und kleinkariert hier teilweise über unsere Energieversorgung von morgen diskutiert wird! Es geht um so viel: um die Absicherung der Energieversorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft in Österreich, um die Sicherstellung von Unabhängigkeit und Preisstabilität, um den Schutz unseres Klimas, um die Schaffung und Stärkung von zukunftsfähigen und nachhaltigen Wirtschaftsbetrieben und Arbeitsplätzen, und vieles mehr", zählt Wagner, nur einige der vielen Chancen der Energiewende auf.

Er verweist auch auf fehlende Kostenwahrheit. Fossile Energie, Atomenergie und erneuerbare Energie werden immer noch nicht mit demselben Maß gemessen! 4,5 Mrd. Euro an Förderung fließen in Österreich jährlich in fossile Energien, es gibt keine verursachungsgerechte Berücksichtigung von Folgekosten für die Schäden, die fossile Energieerzeugung mit sich bringen. In der EU werden noch immer Kohle- und Gaskraftwerke zwei bis drei Mal so stark subventioniert wie alle erneuerbaren Energien zusammen. Diese Verzerrung des Energiemarktes muss beendet werden. Das EU-Parlament hat erst kürzlich ein Ende aller fossilen Subventionen bis spätestens 2025 beschlossen. Darüber hinaus drohen Strafzahlungen bei der Verfehlung unserer Erneuerbaren Ausbauziele (bis zu 9 Mrd. Euro 2030).

Kohle, Öl und Gas sind endlich und deren Nutzung der Grund für die Klimakrise. Erneuerbare Energien sind vor Ort verfügbar und sichern Versorgung und Preise langfristig ab. Bereits heute wären die Stromkosten um einiges höher, würden die erneuerbaren Energien den Strompreis an der Strombörse nicht senken. In Zukunft werden jene Länder wirtschaftlichen Vorteile haben, die eine garantierte erneuerbare Energieversorgung vorweisen können.

Für die Unterstützung der Wirtschaft werden in der Corona-Pandemie derzeit 50 Mrd. Euro frei gemacht. Teilweise auch zur Rettung von Unternehmen, deren Zukunftsfähigkeit durchaus fragwürdig ist. Unter dem Motto: "Koste es was es wolle". Bei der erneuerbaren Stromproduktion, welche nicht nur eine beachtliche Wirtschaftsleistung darstellt sondern auch eine Säule für den gesamten Österreichischen Wirtschaftsstandort ist, wird von einigen Seiten daran festgehalten, dass eine Milliarde pro Jahr keinesfalls überschritten werden darf.


Auf verschiedensten Ebenen haben sich daher Staaten und Staatengemeinschaften Verpflichtungen auferlegt, um dem fortschreitenden Klimawandel entgegenzuwirken. Das Verfehlen solcher Verpflichtungen bringt zum Teil Strafzahlungen mit sich. Zudem rechnen Experten und Wissenschaftler immer wieder vor, dass jeder heute nicht investierte Euro in Klimaschutz die Kosten für die Zukunft um ein Vielfaches erhöhen wird. Die grundlegende Säule des Klimaschutzes ist die Energiewende. Ohne umgestalten des Energiesystems auf eines, das aus 100 Prozent erneuerbaren Energien besteht, ist die Klimakrise nicht aufzuhalten.

Greenpeace: Kosten des Nichthandelns im Klimaschutz unleistbar, EU-Klimaziel von -55% ist unzureichender Kompromiss

Anlässlich der am Mittwoch von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung präsentieren Forderung nach "Klimaschutz mit Maß und Ziel", warnt Greenpeace vor den untragbaren Kosten des Nichthandelns. Das von WKO-Chef Karlheinz Kopf als "illusorisch" abgetane Ziel einer Reduktion um 65 Prozent ist nicht weniger als das, was die Wissenschaft als notwendig anerkennt, wollen wir das Pariser Klimaziel einer Begrenzung der globalen Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad noch erreichen. Die von der EU Kommission nun vorgeschlagenen minus 55 Prozent sind daher bereits ein Kompromiss auf Kosten der kommenden Generationen. Für weitere Abschwächungen bleibt hier kein Raum.

"Wir haben keine Zeit für ungelenke Bremsmanöver von Industrievertretern knapp vor der Ziellinie. Österreich ist von der im Regierungsabkommen versprochenen Vorreiterrolle meilenweit entfernt. Im Zuge des EU-Ratsgipfels, der diese Woche die Klimaziele der EU fixieren soll, ist die Wissenschaft klar - selbst 55 Prozent Reduktion sind unzureichend. Die Kosten der Untätigkeit werden unleistbar. Bereits aus heutiger Sicht müssen wir 2050 mit jährlichen Folgeschäden von bis zu 30 Milliarden Euro rechnen, wenn wir nicht rasch und entschlossen handeln”, warnt Adam Pawloff, Klimaexperte bei Greenpeace in Österreich. Österreich hat sich dazu verpflichtet, eine ambitionierte Klimapolitik in Europa voranzutreiben. Dazu zählt, sich für ein möglichst starkes Klimaziel einzusetzen. Für die EU heißt das, bis 2030 brauchen wir eine Reduktion von 65 Prozent CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Pawloff weiter: "Es gilt nun für Politik und Wirtschaft gleichermaßen die Zeichen der Zeit zu erkennen und aktiv an der Lösung der Klimakrise mitzuwirken, statt längst überfällige Zielfindungs-Debatten zu führen und zu bremsen."

Den Forderungen der Wirtschaftsvertreter nach konkreten Maßnahmen und der Nutzung von Chancen, die sich durch den Klimaschutz ergeben, kann Greenpeace durchaus etwas abgewinnen Die Umweltschutzorganisation verweist in diesem Zusammenhang auf konkrete Modelle wie die Einführung eines CO2 Grenzzolls für die EU zum Schutz der heimischen Industrie.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /