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Klima- und Energiestrategie: Es ist noch viel zu tun

Konsultationsprozess: Einladung aktiv mitzudiskutieren

Gestern wurde von Ministerin Köstinger und Minister Hofer der Entwurf für die Klima- und Energiestrategie vorgestellt. In den nächsten Wochen läuft ein Konsultationsprozess zur Klima- und Energiestrategie. Akteure der Energiewende u.a. sind eingeladen mit den Ministerien ins Gespräch zu kommen und den Strategieentwurf zu diskutieren.

„Inhaltlich sollte sich bis zur Beschlussfassung aber noch einiges ändern“, bemerkt Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft und nimmt das Angebot zur Diskussion gerne an. „Damit die Klima- und Energiestrategie zu einer erfolgreichen Grundlage für die Energiewende werden kann, bedarf es noch entscheidender Änderungen und eines konkreten Maßnahmenplans mit Zwischenzielen.“

Es muss noch viel deutlicher gemacht werden als bisher, dass das fossile Energiesystem ab sofort das Abstellgleis ist, das es abzubauen gilt. Investitionen in fossile Strukturen dürfen weder unterstützt noch indirekt bevorzugt werden“, so Moidl und ergänzt: „Damit die Energiewende wirklich gelingt, muss es teilweise auch klare Benachteiligungen von fossiler Energie geben.“


Der Bundesverband Photovoltaic (PVA) begrüßt die Photovoltaik betreffenden Teile der Klima- und Energiestrategie, besonders die darin zementierte Regierungsvereinbarung, mit dem dezidierten Ausbauziel von 100 Prozent erneuerbaren Strom bis 2030.

Hans Kronberger vom Bundesverband Photovoltaic Austria: "Zwar liegen die Mühen der Ebenen noch vor uns, aber der eingeschlagene Weg kann Österreich bis 2030 an die Spitze der sauberen Stromproduktion in der EU führen!" Eine Klärung über die Ausgestaltung des 100.000 Dächer-Programmes ist in der Strategie noch nicht enthalten und man hofft hier Klarheit im nun folgenden Konsultationsprozess zu erlangen.

Die neuerlich angekündigte Abschaffung der Besteuerung von eigenständig produziertem und selbstständig konsumiertem Strom wäre mit der herrschenden Parlamentsmehrheit sofort machbar. Bundesministerin Elisabeth Köstinger bezeichnete diese Steuer auch selbst als absurd.

Kronberger: "Durch noch vorhandenen bürokratischen Hürden verzögern sich Förderzusagen und das Gewerbe ist sowohl bei der Speichertechnologie als auch bei der PV-Anlagenerrichtung derzeit so gut wie stillgelegt! Die Branche braucht dringend Abhilfe."

NEOS: Die Klimarechnung der Bundesregierung geht nicht auf

NEOS-Umweltsprecher Michael Bernhard meint: "Es fehlt an der Budgetierung, um tatsächlich wirkungsvoll die Treibhausgas-Emissionen Österreichs rascher zu senken und große Schritte in Richtung Dekarbonisierung zu machen. Mit diesen ambitionslosen Vorgaben werden wir die Klimaziele von Paris nicht erreichen können."

In den für die Erreichung der Ziele wichtigen Sektoren Gebäude und Verkehr fehlt es - auch angesichts gemäß Finanzrahmens mittelfristig sinkender Budgets - an den notwendigen Hebeln, um eine Trendwende einzuleiten, so Bernhard. "Die versprochenen konkreten Maßnahmen bis Juni müssen ein wirklich großer Wurf werden, um hier zu retten, was noch zu retten ist. Leider steht zu befürchten, dass der Regierung hierfür der Mut fehlt." Die großen Versäumnisse, wie etwa die Ökologisierung des Steuersystems mit der Einführung einer CO²-Steuer nach schwedischem Vorbild, haben den Spielraum für Österreich leider stark verkleinert: "Wir brauchen endlich eine sozial-ökologische Steuerreform, die im Kern eine aufkommensneutrale, wirtschaftsfreundliche CO2-Steuer beinhaltet. Damit könnten wir Innovation befeuern, den Faktor Arbeit entlasten und Arbeitsplätze schaffen, erneuerbare Energien fördern und energiepolitische Abhängigkeiten verringern."

Liste Pilz: Sowohl Zeitplan als auch Budget fehlen

Bei der groß angekündigten Klima- und Energiestrategie handelt es sich um eine ausgeschmückte Version der Kapitel "Umwelt˜ und "Energie€˜ des Regierungsprogramms, so die Liste Pilz. Da wie dort fehlt sowohl ein konkreter Zeitplan, als auch ein Budget", kritisiert die Energie- und Umweltsprecherin der Liste Pilz, Martha Bißmann. "Es ist offenkundig, dass hier nicht Klimaschützer und Verfechter der erneuerbaren Energien federführend tätig waren, sondern Vertreter von Erdölhändlern und der Mineralölindustrie."

Umweltministerin Köstinger hat sich bei der Präsentation der Integrierten Klima- und Energiestrategie (IKES) dafür ausgesprochen, die Bevölkerung beim Thema Klimaschutz zu emotionalisieren.

"Nach wie vor fehlen der Strategie die großen Würfe für einen wirkungsvollen Klimaschutz und eine Energiewende, die ihren Namen verdient. Dazu gehören die Abschaffung der fossilen Subventionen, eine ökologische Steuerreform und ein Ökostromgesetz, das die Energiewende ermöglicht."

WWF: Bundesregierung muss Klimastrategie deutlich nachbessern

Der WWF Österreich fordert eine deutliche Nachbesserung des Entwurfs: "Hübsch verpackt, wenig konkreter Inhalt, viel heiße Luft. In dieser Form ist die neue Strategie eine PR-Broschüre, die Österreich beim Klimaschutz weiter zurückfallen lässt", sagt WWF-Klimasprecher Karl Schellmann in einer ersten Reaktion. "Die Bundesregierung muss deutlich weitsichtiger und wirksamer vorgehen, um das Pariser Klimaabkommen erfüllen zu können. Dafür braucht es neben ambitionierten Zielen und Sofort-Maßnahmen auch frische finanzielle Mittel. Ansonsten ist diese Strategie zum Scheitern verurteilt und fällt der Klimaschutz in Österreich endgültig ins Koma", verweist Schellmann auf das langfristig sinkende Umweltbudget.

Positiv am Entwurf ist das Bekenntnis zum "umwelt- und naturverträglichen" Ausbau der Energiewende. " Ein echter Naturschutz-Check erfordert auch klare Leitlinien in den Energiegesetzen", sagt Schellmann. Auch das in der Strategie verankerte Aus für Ölheizungen gehe zwar in die richtige Richtung, müsste aber schneller und umfassender kommen, um die Abhängigkeit von Erdöl-Importen spürbar zu senken. Hier verursacht die Verzögerungspolitik der Regierung viel unnötiges CO2. Hervorzuheben ist auch das Ziel von 100 Prozent Erneuerbaren im Strombereich. "Das ist wichtig, greift aber zu kurz. Denn die echte Wende beginnt beim Verbrauch. Dort liegen die volkswirtschaftlich günstigsten Potenziale zur CO2-Vermeidung", fordert Schellmann ein konkretes Energiespar-Programm.

Im Entwurf fällt auch negativ auf, dass die Bundesregierung offensichtlich keine öko-soziale Steuerreform angehen will und beim Streichen umweltschädlicher Subventionen nur auf Zeit spielt. "An den großen Hebeln wird nicht gedreht. Im Regierungsprogramm ist ein "Eliminieren€˜ kontraproduktiver Subventionen festgeschrieben, aber via Strategie wird nur eine neue Arbeitsgruppe zur Analyse bis Juni 2019 eingerichtet. Dabei hat das WIFO schon vor über zwei Jahren eine Studie vorgelegt, deren Umsetzung mehr Geld für umweltfreundliche Investitionen bringen würde", betont Schellmann. Beim größten CO2-Treiber Verkehr werden zwar wichtige Themen angesprochen, aber auch hier braucht es endlich konkrete Taten. "Der Ausstieg aus fossilen Energien erfordert gerade beim Verkehr eine große Kraftanstrengung, die möglichst rasch angegangen werden muss", so Schellmann.

Umweltdachverband: Einiges Licht, aber noch viel Schatten!

"Die vorgestellte Strategie bringt positive Ansätze, enthält allerdings auch einige Schattenseiten. Ohne Kostenwahrheit und Umsteuerung - sprich: fossilen Energieverbrauch auf allen Ebenen verteuern und Arbeitskosten senken - wird eine zukunftsfähige Energiewende nicht möglich sein. Eine Analyse kontraproduktiver Subventionen ist zwar vorgesehen, allerdings sollten diese nicht nur aufgelistet - da ohnehin seit Jahren bekannt -, sondern samt und sonders gestrichen werden. Ziel des Prozesses muss letztlich die Verabschiedung einer naturverträglichen Klima- und Energiestrategie sein, die im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen steht. Der Fokus der Strategie muss auf Reduktion und Effizienz des Energieverbrauchs gelenkt werden", erklärt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes.

Positiv zu sehen ist die geplante Gebäudesanierungsoffensive und die Schwerpunktsetzung auf Photovoltaik, inklusive der Streichung der Eigenstromsteuer, da dadurch die Wirtschaftlichkeit der Photovoltaik für Private erreicht wird. " Begrüßenswert ist weiters, dass erstmals der für den Klimaschutz zentrale Mobilitätssektor in eine Energiestrategie einbezogen wird", so Maier.

GLOBAL 2000 kritisiert: Worthülsen ohne Inhalt

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 zeigt sich schwer enttäuscht über den vorgestellten Entwurf. "Dieser Entwurf enthält viele Worthülsen aber wenig Inhalt. Die Ziele sind nicht kompatibel mit dem Pariser-Klimaabkommen und auch die EU-Klimaziele werden so nicht erreicht. Es fehlen ein klarer Pfad für den Ausstieg aus fossiler Energie bis 2050, konkrete Maßnahmen wie eine ökologische Steuerreform und eine adäquate Finanzierung der Vorhaben. Dass noch bis 2025 neue fossile Ölheizungen eingebaut werden dürfen, die auch noch jahrzehntelang in Betrieb bleiben, bedeutet sieben verlorene Jahre für den Klimaschutz - das ist Zeit, die wir nicht haben. Es braucht jetzt in der Konsultation eine komplette Überarbeitung, wenn daraus noch etwas sinnvolles werden soll", so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit unserem knappen CO2-Budget bedeutet eine Senkung der Treibhausgase bis 2030 um 50 Prozent, eine Senkung des Energieverbrauchs um 30 Prozent und eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energie auf 60 Prozent. Damit kann sich Österreich unabhängig von fossilen Energieimporten machen, wirtschaftliche Chancen nützen und Arbeitsplätze schaffen. Davon sind die Ziele des Strategieentwurfs weit entfernt. Kritisch sieht GLOBAL 2000, dass überhaupt keine Vorstellung entwickelt wurde, wie hoch der Energieverbrauch im Jahr 2030 sein soll. Das ist aber notwendig, denn die erneuerbaren Energiepotenziale können den derzeit überhöhten Energiekonsum nicht annähernd decken.

"Energieeinsparung muss als oberste Priorität verankert werden. Ein klarer Fahrplan dafür fehlt bitterlich", so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.

Selbst die Erfüllung der EU-Zielvorgaben bis 2030 kann mit der Strategie nicht dargestellt werden. Diese sehen eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 vor. Heruntergebrochene Sektorziele sind im Strategieentwurf derzeit aber nur für den Verkehr und den Gebäudebereich vorgesehen, klare Ziele und Fahrpläne für wichtige Sektoren wie Industrie und Gewerbe oder die Landwirtschaft fehlen völlig.

"Der Entwurf enthält keinen klaren Fahrplan wie die EU-Ziele erreicht werden sollen und fällt damit auch in diesem Test durch. Wirtschaftslobbyisten haben für ihre Klientel offenbar riesige Löcher in den Plan geschossen. Wir stehen nun vor einem großen Akzeptanzproblem, denn warum sollte die Bevölkerung den Klimaplan der Regierung unterstützen, wenn große Teile der Wirtschaft einfach außen vor bleiben?", so Johannes Wahlmüller weiter.

GLOBAL 2000 kritisiert weiters, dass es nicht gelungen ist, die bereits im Regierungsprogramm enthaltenen Maßnahmen zu konkretisieren, mit Umsetzungszeitplänen zu versehen oder die Finanzierung zu klären. Stattdessen sollen die Klimabudgets in den nächsten Jahren deutlich gekürzt werden. Wichtige Maßnahmen wie der Abbau umweltschädlicher Subventionen werden nicht mit dem nötigen Ernst angegangen, für thermische Sanierung und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind keine ausreichenden finanziellen Mittel vorgesehen und auch der bereits mehrfach angekündigte Ausstieg aus der Kohleverstromung im Jahr 2020 kommt nicht vor.

Unterschiediche Meinungen zum Entwurf

WKÖ-Umweltexperte Stephan Schwarzer: "Aus Sicht der Wirtschaftskammer Österreich hat die Klimastrategie eine zentrale Herausforderung zu lösen, nämlich den für die Energiewende notwendigen Investitionsschub rasch in Gang zu setzen. Dazu enthält der Entwurf zwar Vorschläge, sie bedürfen aber noch der Präzisierung und budgetären Unterfütterung."
"Von einer groß angekündigten Klima- und Energiestrategie hätten wir uns mehr erwartet", kritisiert der Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung, Bernhard Wiesinger. Klar definierte Einsparungsziele finden sich lediglich für Verkehr und Raumwärme. Die gesamte Strategie im Wesentlichen nur auf diese beiden Eckpunkte aufzubauen, lässt den nötigen Weitblick vermissen. "Es gibt auch andere Sektoren, zum Beispiel Industrie und Landwirtschaft, die aktiv zur Erreichung der Klimaziele beitragen können", stellt Wiesinger klar. "Warum gibt es für diese keine niedergeschriebenen Ziele?"

Die präsentierte Klima- und Energiestrategie gibt lediglich einen Rahmen vor. "Diesen gilt es nun mit Leben zu füllen", so Wiesinger. "Für den ÖAMTC ist es unbestritten, dass der mittelfristige Umstieg auf saubere Fortbewegungstechnologien kommen muss."

"Mit der geplanten E-Mobilitätsoffensive setzt die Bundesregierung einen wichtigen ersten Schritt. Jetzt müssen bis Sommer die konkreten Maßnahmen folgen.", so Roland Ziegler, Sprecher des Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ), der die Interessen von 11 Energieversorgern vertritt.

Greenpeace: Totalversagen der Regierung bei Klimaschutz

Konkrete nach Sektoren aufgeteilte Ziele um Treibhausgase zu reduzieren, gibt es lediglich für die Bereiche Verkehr und Gebäude. Die Summe der Maßnahmen aber führt nicht dazu, diese Ziele zu erreichen, analysiert Greenpeace. So werden allein bis 2022 rund zwei Milliarden Euro bei der Bahninfrastruktur gekürzt und keine zusätzlichen finanziellen Mittel für mehr Züge auf der Schiene bereitgestellt, um etwa das Angebot im Nahverkehr zu stärken. Bei der E-Mobilität geht Schwarzblau sogar hinter das Ziel der Vorgängerregierung zurück: Statt darauf zu setzen, dass ab 2030 ausschließlich abgasfreie Autos zugelassen werden, ist in der aktuellen Strategie nur mehr von einer "Schwerpunktverschiebung" die Rede. Anstatt klar mehr Lkw auf die Schiene zu bringen, will Schwarzblau den Güterverkehr lediglich "effizienter" machen und seine "Wettbewerbsfähigkeit” ausbauen. Bei der thermischen Sanierung von Gebäuden hat sich Schwarzblau von einer jährlichen Sanierungsrate von drei Prozent verabschiedet, die notwendig wäre um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Das Sanierungsziel ist nun auf zwei Prozent abgesenkt. Zudem legt die Regierung keine einzige neue Maßnahme wie etwa steuerliche Erleichterungen vor, kürzt aber die bestehenden Förderungen.

Kernstück der Klimastrategie muss eine öko-soziale Ausrichtung von Steuern und Abgaben sein, so Greenpeace. Die im Jahr 2020 von der Bundesregierung geplante große Steuerreform ist jedoch in der Klimastrategie mit keinem Wort erwähnt. Im Gegenteil: Umweltschädliche Förderungen wie die steuerliche Begünstigung von Heizöl, Diesel und Kerosin werden nicht abgeschafft, sondern nur "evaluiert”. Obwohl diese bekanntlich laut Wirtschaftsförderungsinstitut bis zu 4,7 Milliarden Euro im Jahr ausmachen.


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