© Daimler / eActros Elektro-LKW
© Daimler / eActros Elektro-LKW

Mercedes-Benz eActros demnächst auf den Straßen unterwegs

Elektro-LKW mit 200 km Reichweite - Erste Fahrzeugen in den nächsten Wochen bei den Kunden im Test

Stuttgart – Mercedes-Benz Trucks schickt den eActros Elektro-Lkw auf die Straße. Zehn Fahrzeuge in zwei Varianten mit 18 bzw. 25 Tonnen Gesamtgewicht gehen in den nächsten Wochen an Kunden, die Alltagstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit unter realen Bedingungen testen werden. Langfristiges Ziel: lokal emissionsfreies und leises Fahren in Städten mit Serien-Lkw.

Bereits auf der Nutzfahrzeug IAA 2016 zeigte Mercedes-Benz das Konzeptfahrzeug. Die Resonanz war durchweg positiv. Allein in Deutschland gab es rund 150 sehr konkrete Anfragen. Ein interdisziplinäres Team von Daimler Trucks konzipierte nun ein Fahrzeug, das den Einsatz im Alltagsbetrieb meistern und in geringer Stückzahl bereits 2018 an Kunden übergeben werden kann. Technische und vor allem auch betriebs­wirtschaftliche Fragestellungen sollen so gelöst werden, vor allem die Reichweite und Kosten der Batterien, aber auch die notwendige Infrastruktur für den Einsatz in den gewerblichen Flotten.

„Mit dem Mercedes-Benz eActros geben wir jetzt einen schweren Elektro-Lkw als Zwei- und Dreiachser in Kundenhand. Zunächst steht dabei der innerstädtische Waren- und Lieferverkehr im Fokus – die hier benötigten Reichweiten kann unser Mercedes-Benz eActros sehr gut abdecken“, sagt dazu Stefan Buchner, Leiter Mercedes-Benz Lkw.

Innovationsflotte von zehn Elektro-Lkw an Pilotkunden

An dem Flottentest nehmen zehn Kunden aus unterschiedlichen Branchen in Deutschland und der Schweiz teil. Die Unternehmen sind: Dachser, Edeka, Hermes, Kraftverkehr Nagel, Ludwig Meyer, pfenning logistics, TBS Rhein-Neckar und Rigterink aus Deutschland
Camion Transport und Migros aus der Schweiz.
Alle verteilen Waren im Stadtverkehr – aber in ganz unterschiedlichen Branchen und Kategorien. Die Palette reicht von Lebens­mitteln bis zu Bau- und Werkstoffen. Aufgrund der verschiedenen Anforderungen tragen die Fahrzeuge unterschiedliche Aufbauten. Je nach Bedarf sind Kühlkoffer, Trockenkoffer, Silo oder Plane im Einsatz. Die Fahrer der eActros werden speziell auf das Fahrzeug geschult. Die Pilotkunden testen die Fahrzeuge im Realbetrieb für zwölf Monate, dann gehen die Lkw für noch einmal zwölf Monate an eine zweite Runde von Kunden. „So können wir den vielen Kundenanfragen gerecht werden und noch mehr Erkenntnisse gewinnen“, sagt Stefan Buchner. „Unser Ziel ist, die Serien- und Marktreife wirtschaftlich konkurrenzfähiger Elektro-Lkw für den innerstädtischen schweren Verteilerverkehr ab 2021 realisieren zu können.“

Bis zu 200 km Reichweite mit gewohnter Fahrleistung und Nutzlast

Beim eActros wird der Rahmen des Actros als Basis genutzt. Darüber hinaus ist die Architektur vollständig auf Elektroantrieb ausgerichtet, mit hohem Anteil spezifischer Teile. So basiert beispielsweise die Antriebsachse auf dem Typ ZF AVE 130, der sich als Niederflur-Portalachse in Hybrid- und Brennstoffzellen-Omnibussen von Mercedes-Benz bewährt hat und nun für den eActros überarbeitet wird. Der Achskörper ist neu konzipiert und liegt weit höher, was die Bodenfreiheit auf mehr als 200 mm vergrößert. Der Antrieb erfolgt über zwei Elektromotoren nahe den Radnaben der Hinterachse. Diese Dreiphasen-Asynchronmotoren sind flüssigkeitsgekühlt und arbeiten mit einer Nennspannung von 400 Volt. Ihre Leistung beläuft sich auf jeweils 125 kW, das maximale Drehmoment auf jeweils 485 Nm. Nach der Übersetzung werden daraus jeweils 11 000 Nm. Die Fahrleistung ist damit der eines Diesel-Lkw ebenbürtig.

Die maximal zulässige Achslast liegt bei den üblichen 11,5 Tonnen. Die Energie für bis zu 200 km Reichweite kommt aus Lithium-Ionen-Batterien mit 240 kWh. Sie haben sich bereits bei der EvoBus GmbH bewährt – sind also keine Prototypen mehr. „Durch diese Synergien im Konzern können wir Erfahrungen teilen, Entwicklungszeiten verkürzen und natürlich auch Kosten sparen“, so Stefan Buchner.

Die Batterien sind in insgesamt elf Paketen verbaut: Drei befinden sich im Bereich des Rahmens, die anderen acht unterhalb. Zur Sicherheit sind die Batteriepakete von Stahlgehäusen geschützt. Im Fall eines Aufpralls geben die Halterungen nach, verformen sich und leiten so die Energie an den Batterien vorbei ohne sie zu beschädigen. Die Hochvolt-Batterien speisen nicht nur den Antrieb, sondern das komplette Fahrzeug mit Energie. So werden beispiels­weise Nebenaggregate wie der Druckluftkompressor der Bremsanlage, die Lenkhelfpumpe für die Servo-Unterstützung der Lenkung, der Kompressor der Fahrerhaus-Klimaanlage und ggf. der Kühlaufbau ebenfalls elektrisch betrieben. Leere Batterien lassen sich bei einer realistischen Stationsleistung von mobilen Ladegeräten im Fuhrpark von 20 bis 80 kW innerhalb von drei bis elf Stunden vollständig aufladen. Ladestandard ist das Combined Charging System CCS. Das LV-Bordnetz mit zwei herkömmlichen 12-Volt-Batterien wird mithilfe eines DC/DC-Wandlers aus den Hochvolt-Batterien geladen. So können bei Ausfall oder Abschalten des Hochvolt-Netzes alle relevanten Fahrzeugfunk­tionen wie Licht, Blinker, Brems- und Luftfedersysteme sowie die Fahrerhaus­systeme aufrechterhalten werden. Das Hochvolt-Netz lässt sich nur starten, wenn die beiden LV(Niederspannungs)-Batterien geladen sind.

Die Entwicklung und Erprobung der schweren Elektro-Lkw im Verteilverkehr erfolgt über das Projekt „Concept ELV²“, das zu verschiedenen Teilen vom Bundesumweltministerium (BMUB) sowie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit insgesamt rund zehn Millionen Euro gefördert wird.

Die Kundeninnovationsflotte ist mindestens bis Mitte 2020 im Einsatz. Sie soll unter anderem den Energiebedarf nach Einsatzszenarien und die Wirtschaft­lichkeit der Elektro-Lkw ermitteln sowie in einer Öko-Bilanzierung die Umwelt­performance der Elektro-Lkw mit Diesel-Trucks über den gesamten Lebens­zyklus vergleichen. Die Forschungserkenntnisse fließen noch während der Tests in Optimierungen der Fahrzeuge ein, die Ergebnisse werden publiziert und eröffnen potenziellen Nutzern Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Routenplanung oder zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in der Logistik.

Daimler hat bereits weitere E-LKW im Einsatz: Als Pionier unter den vollelektrischen Leicht-Lkw ist der eCanter der asiatischen Marke FUSO bereits im Herbst vergangenen Jahres als erster Serien-Elektro-Lkw an den Start gegangen. Auch der eVito von Mercedes-Benz ist seit November 2017 bestellbar und wird ab der zweiten Jahreshälfte ausgeliefert. Als nächstes folgen der vollelektrische Stadtbus Citaro sowie der eSprinter. Die Fahrzeuge von Daimler Trucks, Daimler Buses und Mercedes-Benz Vans decken somit den gesamten innerstädtischen Verkehr mit Elektrofahrzeugen ab. Neben Nutzlast und Ladevolumen ist auch Nachhaltigkeit und Geräuschreduktion gefragt. Und genau hier, bei häufigem Anhalten, Bremsen und Beschleunigen, kann die batterieelektrische Antriebstechnologie ihre Vorteile optimal ausspielen. Die Stadtbewohner profitieren von sauberer Luft und weniger Lärm – und noch ein Vorteil: von Fahrverboten sind Elektro-Lkw weitestgehend nicht betroffen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /