© (c) Leonardo Ramirez- Global 2000/ Aktion in Wien
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CETA: Zurück zum Start!

UmweltschützerInnen erleichtert über Verschiebung der CETA-Unterzeichnung. Ernste Bedenken der Wallonen und zahlreicher anderer Mitgliedsstaaten müssen jetzt endlich gelöst werden.

Wien/Brüssel – Beim gestrigen Rat der EU-Regierungschefs konnte es keine einstimmige Zustimmung zum Handelsabkommen zwischen EU und Kanada geben. Grund dafür war das Nein des wallonischen Regionalparlaments in Belgien. Der EU-Kanada-Gipfel nächste Woche und die Unterzeichnung des Handelsabkommens CETA wurden vertagt.

Der Leiter der Kampagnenabteilung der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000, Reinhard Uhrig, sagt: ‘Wir sind erleichtert, dass die Wallonen dem Druck stand gehalten haben, da die aufgezeigten Probleme in CETA weiter nicht ausgeräumt sind. Das ist ein riesiger Sieg für die Demokratie und die Millionen EuropäerInnen nicht nur in Wallonien, die ernsthafte Bedenken gegen den Pakt haben. Die Ablehnung ist ein Weckruf für die europäischen Regierungen und die EU-Kommission, sich tatsächlich noch einmal ernsthaft inhaltlich mit den Konsequenzen des Abkommens für die Umwelt, ArbeitnehmerInnen und VerbaucherInnen sowie für demokratische Prozesse im Speziellen auseinander zu setzen.’

Inhaltliche Bedenken in allen relevanten Lebensbereichen auch durch zweiten ‘Beipackzettel’ nicht ausgeräumt

Um den für 27. Oktober in Brüssel angesetzten Termin für den EU-Kanada-Gipfel zu halten, hat sich die EU-Kommission darauf eingelassen, mit Kanada eine interpretative Zusatzerklärung zum CETA-Text aufzusetzen. Aufgrund der Entscheidung des Deutschen Verfassungsgerichtes musste sogar noch ein weiterer ‘Beipackzettel’ zugefügt werden, der das Ende der vorläufigen Anwendung von CETA klarstellen musste. Das Wallonische Parlament hatte aber auch diesen ‘Beipackzettel’ als unzureichend gewertet, um ihre starken Bedenken auszuräumen. Im April dieses Jahres hatte das Wallonische Parlament in einer Resolution klare rote Linien zu CETA aufgestellt. ‘Die vom Wallonischen Parlament aufgezeigten Probleme in CETA decken sich mit der Analyse zahlreicher anderer Mitgliedsstaaten. Belgien steht bei weitem nicht alleine da. Nur haben leider alle anderen – auch Österreich – die giftige Kröte geschluckt, die die EU-Kommission ihren Mitgliedsstaaten angeboten hat, nur um auf Biegen und Brechen den Termin der Unterzeichnung zu halten, das ist ein Ausverkauf der Demokratie’, betont Uhrig.

Sorge um Glaubwürdigkeit kein Argument für Zustimmung

Aus Sorge um die ‘Glaubwürdigkeit’ der EU wurde der Druck auf CETA-kritische Länder und Regionen immer stärker. In den letzten Wochen war vor allem das Einhalten des Unterzeichnungstermins Thema, nicht der Inhalt, über den auch bei Treffen der Mitgliedsstaaten mit der EU-Kommission nicht mehr geredet wurde. CETA gilt seit September 2014 als ausverhandelt und nach der Änderung des Investorenkapitels seit dem 29. Februar 2016 als nicht mehr aufschnürbar. ‘Die Versuche des Entgegenkommens seitens der EU-Kommission dienten offensichtlich nur dazu, CETA doch noch an dem ausgemachten Termin zu unterzeichnen. Jetzt ist es Zeit, sich darüber klar zu werden, dass Umweltschutz, gesunde Lebensmittel und eine funktionierende nachhaltige Landwirtschaft nicht unberechtigte ‘Sorgen’ der ahnungslosen Bevölkerung und Populismus-Argumente sind, sondern gravierende Probleme des nach jahrelangen Geheimverhandlungen 2014 veröffentlichten Handelspakts’, erklärt Uhrig. ‘Der Zeitgewinn sollte jetzt genutzt werden, um tatsächlich die inhaltlichen Fallstricke des Vertrages aufzulösen, oder den Vertrag in die Rundablage der Geschichte zu werfen, so wie 1998 den Entwurf des Multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI), das auf Druck Frankreichs aus ähnlichen Gründen verworfen wurde.’

GLOBAL 2000 fordert einen Neubeginn der CETA-Verhandlungen unter Einhaltung demokratiepolitischer Spielregeln, auf Basis eines alternativen Mandats, das Menschen und die Umwelt in das Zentrum des Entscheidens stellt.

ehren aus CETA ziehen – TTIP jetzt stoppen
Neuausrichtung der EU-Handelspolitik unausweichlich

Der Widerstand der Wallonie gegen CETA zeigt die Notwendigkeit für eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik, so Greenpeace. Im Sinne eines Neustarts der Handelspolitik sei es auch höchste Zeit, TTIP in der geplanten Form eine klare Absage zu erteilen.

‘Der Widerstand der Wallonen zeigt: Eine EU-Handelspolitik, die demokratische Handlungsspielräume einschränkt und mühsam errungene Standards bedroht, hat keine Zukunft’, so Greenpeace-Sprecherin Hanna Simons. Mit seinen zahlreichen Deregulierungselementen weicht CETA in vielen Aspekten zugunsten von Konzerninteressen von der Praxis herkömmlicher Handelsabkommen ab und stellt einen gefährlichen Präzedenzfall für die künftige EU-Handelspolitik dar. ‘Die Turbulenzen rund um CETA zeigen, dass eine solche Politik am Widerstand der Bürgerinnen und Bürger scheitern wird. Eine Neuausrichtung der Handelspolitik ist daher unausweichlich.’

Ein erster Schritt sei es, klarzumachen, dass auch TTIP in der geplanten Form keine Zukunft hat. ‘Wir begrüßen es daher, dass Bundeskanzler Christian Kern mit einer Protokollanmerkung die Vorbehalte der österreichischen Bundesregierung zu TTIP angemeldet hat’, so Simons. Letztlich werde die Regierung aber daran zu messen sein, mit welchem Engagement sie sich im weiteren Prozess dafür einsetzt, dass die Fehler von CETA bei TTIP nicht wiederholt werden und dass es zu keinem Abschluss von TTIP in der geplanten Form kommt. Greenpeace kritisiert jedenfalls, dass im Abschlussdokument des Rats von der Kritik nichts zu lesen ist und dass dort die EU-Kommission weiterhin dazu aufgefordert wird, die TTIP-Verhandlungen weiterzuführen. ‘Offenbar haben die Regierungen trotz des möglichen Scheiterns von CETA immer noch nicht verstanden, dass ein Business as usual keine Option mehr ist’, so Simons.

Die Gespräche zu CETA mit der belgischen Region Wallonie wurden übrigens gestern von Seiten der kanadische Handelsministerin Freeland abgebrochen. Die EU scheint derzeit unfähig zu sein, ein internationales Abkommen abzuschließen, so die kanadische Ministerin in ihrem Statement.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /