© Iwona Olczyk / pixabay.com - Braunkohleabbau
© Iwona Olczyk / pixabay.com - Braunkohleabbau

Wie der Magnat zur Lausitzer Kohle kam

Kohle statt Kernkraft?

Der Konzern EPH von Daniel Køetínský setzt darauf, dass nach dem Abschalten der deutschen Kernkraftwerke trotz der voranschreitenden Energiewende hin zu den Erneuerbaren auch die Nachfrage nach Kohle steigen wird. Die Frage ist, ob EPH genug Geld haben wird, um den Tagebau in den neu erworbenen Kohlegruben aufrecht zu erhalten, bevor die AKWs vom Netz gehen.

Die schwedische Regierung genehmigte Anfang Juli den Verkauf des Braunkohlegeschäftes des Staatskonzerns Vattenfall in der deutschen Lausitz (Sachsen, Anm.d.Ü.) an den Konzern EPH, dessen Eigentümer der tschechische Milliardär Daniel Køetínský ist. Dieser wurde damit der Besitzer eines der größten Braunkohlereviere in Europa, inklusive von fünf Kraftwerken. Zum Vergleich: die Kohleförderung in jener Region stellt vom Umfang her etwa das Eineinhalbfache dessen dar, was in ganz Tschechien produziert wird. (…)

Dieses Geschäft war aber von Anfang an eine sonderbare Sache. Vattenfall, das im Jahre 2002 in den Besitz der Lausitzer Kohlegruben gelangte, hat sich bei den Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg das Recht ausbedungen, einige Gruben auszuweiten und sich so Förderungsmöglichkeiten auch für weitere Jahrzehnte zu sichern. Es geht um ein äußerst konfliktgeladenes Thema, weil dabei die Liquidation einiger Dörfer samt zwangsweiser Aussiedelung von etwa 1300 Personen auf dem Spiel stand (und theoretisch immer noch steht). Das ging nicht ohne Proteste von Ökologen und der lokalen Bevölkerung ab, welche ihre Heimat nicht verlassen will. Es gab aber auch Demonstrationen der Bergleute, die sich umgekehrt eine Ausweitung der Kohleförderung wünscht. Die zerstörenden Landschaftseingriffe würden außerdem die Siedlungsgebiete der Lausitzer Sorben betreffen, einer nicht sehr großen aber immer noch lebendigen slawischen Enklave in der Bundesrepublik Deutschland. In der Zwischenzeit jedoch gelangte in Schweden eine rot-grüne Regierung an die Macht, welche sich entschloss, im Namen des Klimaschutzes die Finger von der deutschen Kohle zu lassen. Dem Staatskonzern Vattenfall wurde angeordnet, seine kohlebezogenen Aktivitäten in Deutschland zu verkaufen – im Unterschied zu den Wind- und Wasserkraftwerken, welche der schwedische Konzern in unserem deutschen Nachbarland weiterhin betreiben darf.

Bemerkenswert dabei war, wer sich an der Ausschreibung um die Lausitzer Kohle beteiligt hatte. Es waren das neben der Holding EPH von Køetínský auch der halbstaatliche tschechische Energiekonzern ÈEZ und die Umweltorganisation Greenpeace, welche dabei nicht verschwieg, die Lausitzer Kohlegruben eigentlich möglichst rasch zusperren zu wollen. Die schwedische Regierung hätte jubeln können, schließlich wäre gerade so etwas ja ihrem grünen Image entgegengekommen. Vattenfall sonderte aber das Angebot der Umweltorganisation aus, es sei nicht ernst gemeint gewesen, so die Begründung der Firma. ÈEZ wiederum hat am Ende doch kein Anbot gelegt, somit war schließlich nur Køetínský übriggeblieben – ein Mann, welcher, wie er selber sagt, an die Renaissance der Kohle glaubt. Die schwedische Regierung genehmigte, wie schon erwähnt, den Verkauf der Lausitzer Kohleaktivitäten an seine Firma. ‘Dieser Vertrag ist für Vattenfall von strategischer Bedeutung und die bestmögliche Variante’, sagte laut Agentur AP der schwedische Minister für Ökonomie und Innovation Mikael Damberg. Man könnte das als etwas heuchlerisch bezeichnen, aber auch so kann Politik sein.

Der Stromverbrauch sinkt

Um wieviel Geld der tschechische Magnat den Lausitzer Kohlenkomplex kaufte, wurde nicht bekanntgegeben. Vattenfall bewertete laut inoffiziellen Angaben selber das verkaufte Portfolio auf drei bis fünf Milliarden Euro, was Experten zufolge aber ein deutlich überhöhter Preis sein soll. Das Kohlegeschäft kämpft heute in Europa und besonders in Deutschland mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg und die raschen Entwicklungen im Bereich der Erneuerbaren Energien geben ihm kaum eine Chance auf rasche Erholung. Die Konkurrenten von Køetínský, wie z.B. RWE oder E.ON müssen sich mit roten Zahlen in ihren Bilanzen herumschlagen und nehmen ein Kohlekraftwerk nach dem anderen vom Netz. Das Rhein-Ruhr-Braunkohlerevier, das größte seiner Art in Europa, wird statt der vor Kurzem noch geplanten Erweiterung umgekehrt, verkleinert. Strom gibt es nicht nur in Deutschland im Überfluss - sein Verbrauch sinkt, so wie sein Preis.

Das hat auch Auswirkungen auf die Bergbaufirma Mibrag, welche Kohle in Mitteldeutschland fördert und die sich auch im Besitz von Daniel Køetínský befindet. Mit dem ersten Oktober des heurigen Jahres wird Mibrag gezwungen sein, im Kraftwerk Buschhaus unweit von Magdeburg ein Leistungspotential von 350 MW außer Betrieb zu nehmen, was laut offiziellen Mitteilungen der Firma ‘bedeutende Auswirkungen auf die ökonomischen Ergebnisse und auf die Zahl der Arbeitsplätze’ haben wird. Für das Vorjahr weist die Firma einen Rückgang der Kohleförderung um 10 % aus und einen Gewinneinbruch von 70 auf 14 Millionen €. In der diesjährigen Bilanz drückt sich außerdem die Beendigung des Importes deutscher Kohle für tschechische Kraftwerke aus, ein Schritt, den Mibrag angeblich aufgrund des Drucks deutscher Umweltaktivisten gesetzt hat.

Die Strategie des tschechischen Kohlebarons ist jedoch offensichtlich. Deutschland wird im Jahre 2022 das letzte seiner Atomkraftwerke außer Betrieb nehmen und es ist fraglich, ob bis zu diesem Zeitpunkt die erneuerbaren Energiequellen es schaffen werden, diesen Ausfall zu ersetzen. Die Atomkraft deckt in Deutschland nämlich nach wie vor etwa 15 % des Strombedarfs ab. Und auch wenn der ambitiöse Plan der Bundesregierung, den Anteil der Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bis 2035 auf 60 % zu steigern aufgehen sollte, wird immer noch eine kleinere Hälfte übrigbleiben, die aus fossilen Quellen gedeckt werden muss.

Das kann Gas sein, dessen Preis heute allerdings zu hoch ist, wobei die weitere Entwicklung diesbezüglich aufgrund der komplizierten internationalen Entwicklung nicht vorausgesehen werden kann. Dann bleibt nur mehr die Kohle übrig. Und Køetínský hofft, dass es gerade die Lausitzer Kohle sein wird. Deren Förderung im Tagebau ist zwar aus ökologischer Sicht extrem problematisch, aber immer noch relativ billig. Die nahegelegenen Kraftwerke wurden zum Großteil alle einer Modernisierung unterzogen und gehören aus der Sicht der Emissionen zu den besten in Deutschland. Eine Ausnahme stellen die beiden Blöcke des Kraftwerks Jänschwalde dar, welche im Jahre 2017 bzw. 2018 aber vom Netz genommen werden sollen.

Das Dilemma der Lausitzer Sorben

Der zweite bedeutende Faktor ist, dass sich der Kohleabbau in der Lausitz trotz aller bekannten negativen Aspekte nicht mit einer eindeutigen, ja nicht einmal mit einer dominanten Ablehñung der lokalen Bevölkerung konfrontiert sieht. Der Grund ist einfach: mit der Kohleförderung bzw. ihrer Verarbeitung sind in der Lausitz direkt oder indirekt 35.000 Arbeitsplätze verbunden, deren überstürzter Verlust in der wirtschaftlich ohnehin schwach entwickelten Region eine soziale Katastrophe bedeuten würde. Gerade deswegen stimmten die Landesregierungen Sachsens und Brandenburgs, auf deren Gebiet die betreffenden Kohlereviere liegen, vor drei Jahren einer Erweiterung der Gruben auch zu.

Die Lausitzer Sorben sind einem doppelten Druck ausgesetzt: der Kohleabbau zestört ihnen nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihre spezifische Identität, die nicht einfach anderswohin verpflanzbar ist. Gleichzeitig war Vattenfall aber bisher ein sehr großzügiger Unterstützer ihrer Dachorganisation ‘Domowina’ und Sponsor einer Reihe von kultureller Aktivitäten der Lausitzer Sorben. Der Konzern finanzierte sogar die Gründung eines Museums, welches Relikte aus 136 bisher ‘abgebaggerter’ sorbischer Dörfer aufbewahen soll. Viele fragen sich daher heute, ob auch der neue Eigentümer der Kohlegruben so großzügig sein wird. Übrigens stellt sich der Ministerpräsident des Bundeslandes Sachsen, Stanislaw Tillich, selber Angehöriger der Lausitzer Sorben, hinter einen weiteren Kohleabbau in der Region.

Ungeachtet des Druckes der Umweltaktivisten, welche sich heuer unter dem Namen ‘Ende Gelände’ schon mehrmals zu Protestveranstaltungen in die Lausitzu aufmachten, sollten sich die Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg aber auf die Variante vorbereiten, dass Køetínskýs Absicht nicht realisiert werden kann. Wie kürzlich die ‘Mitteldeutsche Zeitung’ schrieb, ist EPH zu klein dafür, um die Gruben längerfristig mit Verlust weiterbetreiben zu können. Bedroht wären dann nicht mehr nur die Arbeitsplätze der Bergleute, sondern auch die Rekultivierung, für welche der Betreiber auch Finanzmittel zur Verfügung haben muss. Daher sollten die Politiker schleunigst eine Strategie für den Fall einer zurückgehenden Kohleförderung ausarbeiten und die Entwicklung von Sektoren unterstützen, die im Einklang mit einer nachhaltigen Wirtschaftsweise stehen. Alles andere ist wie ein Tanz an Bord der sinkenden Titanic.

Autor: Jakub Šiška im tschechischen Original erschienen am 6. August 2016 in der Zeitung Lidové Noviny

Übersetzt: Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /