© geralt/Gerd Altmann- pixabay.com
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Mehr Tempo bei der Energiewende in Österreich ein Muss

Die kommende Energie- und Klimastrategie muss ganz klaren Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zum Ziel haben

Gestern hat die EU-Kommission ein neues Klimaschutzpaket präsentiert, das auch Vorschläge für die Aufteilung der EU-Klimaziele auf die einzelnen Nationalstaaten beinhaltet. Bereits bei der Klimakonferenz in Paris hat die EU eine Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent gegenüber 1990 bekanntgegeben.

Für Österreich schlägt die EU-Kommission eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 vor. Diese Reduktion soll in Bereichen wie dem Verkehr und dem Gebäudebereich erbracht werden, die nicht dem EU-weiten Emissionshandel unterliegen.

"Es braucht jetzt deutlich mehr Tempo bei der Energiewende, wobei sich Österreich fester anstrengen muss, weil bisher in der Klimapolitik viel zu wenig umgesetzt wurde. Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner müssen jetzt klarstellen, dass die kommende Energie- und Klimastrategie den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zum Ziel hat und wir die Energiewende in Österreich umsetzen, anstatt uns teuer über CO2-Zertifikate freizukaufen. Mit einer gut umgesetzten Klima- und Energiepolitik können sogar weit ambitioniertere Ziele erreicht werden, als von der Kommission vorgeschlagen", ist Johannes Wahlmüller, Klimasprecher der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 überzeugt.

GLOBAL 2000 hat gemeinsam mit Greenpeace und dem WWF eine Studie vorgelegt, die ganz klar zeigt, dass in Österreich bis 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 50 Prozent gesenkt, der Energiebedarf gegenüber 2005 um 30 Prozent gesenkt und der Anteil erneuerbarer Energie auf 60 Prozent gesteigert werden können. Dafür ist es aber notwendig, die Gebäudesanierung voranzutreiben, Mobilität viel stärker auf sanfte Formen wie den öffentlichen Verkehr und das Rad zu verlagern, sowie naturverträgliche Potenziale erneuerbarer Energie auszubauen. "Wir können beim Klimaschutz deutlich mehr erreichen, als die EU von uns verlangt. Dafür muss aber jetzt neben der geplanten Energie- und Klimastrategie ein Maßnahmenpaket für Gebäudesanierung, nachhaltige Mobilität und den Abbau von umweltschädlichen Subventionen geschnürt werden", erklärt Wahlmüller.

Kritik an Prozess zur Energie- und Klimastrategie

Kritisch sieht die Umweltschutzorganisation dabei den vor kurzem gestarteten Prozess zur Erarbeitung einer integrierten Energie- und Klimastrategie für Österreich. Mit einer Online-Konsultation werden derzeit Fragen an Bevölkerung und Interessensgruppen gestellt. Doch anstatt Ziele außer Streit zu stellen und Fragen zur Umsetzung zu formulieren, wird die Energiewende vielfach sogar in Frage gestellt. Ob Österreich langfristig aus Kohle, Öl und Gas aussteigt, lässt die Bundesregierung offen, obwohl die Ziele des Klimaabkommens von Paris nicht erreicht werden können, wenn wir weiter am fossilen Energiesystem festhalten. Ob es Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energie und die Steigerung der Energieeffizienz bis 2030 geben soll, bleibt ebenso offen, obwohl nur auf diese Weise Treibhausgase in Österreich eingespart werden können. Weiters wird zur Diskussion gestellt, ob sich Österreich wieder über CO2-Zertifikate freikaufen soll, obwohl das zuletzt ca. 600 Mio. Euro gekostet hat, mit dem einzigen Effekt, dass die für echte Klimapolitik notwendige Maßnahmen später nachgeholt werden müssen. Für GLOBAL 2000 ist das insgesamt ein schlechter Start für den Prozess zur Energie- und Klimastrategie: "Die Bundesregierung zeigt derzeit keine Einigkeit bei einem der weltweit wichtigsten Zukunftsthemen. Es braucht jetzt klare Vorgaben der Regierungschefs Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, damit Klimaschutz endlich auch umgesetzt werden kann", so Wahlmüller.

Für den WWF ist eine Reduktion um 36% viel zu gering, um als Klimaschutzziel ausreichend wirksam zu sein, sie entspricht auch den Pariser Klimaschutzbeschlüssen nicht. "Die Bundesregierung muss für 2030 eine CO2-Reduktion von 50 Prozent auf Basis von 1990 festlegen und den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050 zur Zielvorgabe der österreichischen Energie- und Klimastrategie machen. Sonst bleibt der Beitrag Österreichs gegen den Klimawandel unzureichend", so WWF-Klimasprecher Karl Schellmann.

Der Prozess zur Entwicklung einer Österreichischen Energie- und Klimastrategie wird sehr kritisch gesehen. Beanstandet wird vor allem das Fehlen richtiger Zielvorgaben. Allgemeine Begriffe wie "Leistbarkeit" oder "Wirtschaftlichkeit" werden zu Zielen umdeklariert ohne sie zu quantifizieren. Ebenso werden wesentliche Fragen, wie die vielen Eingaben bei der Konsultation ausgewertet werden, wie aus den gesammelten Vorschlägen eine Strategie abgeleitet wird, wie das "Weißbuch" zustande kommen soll und auch wer es schreibt, nicht beantwortet.

Der WWF ist besorgt: "Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrere Versuche erlebt Strategien gegen den Klimawandel für Österreich festzulegen aber die Versuche sind bisher alle gescheitert. Wir fordern eine klare Linie von der Bundesregierung, die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens als Ziel und keine Scheinaktivitäten wie die derzeit laufende Onlinebefragung", so Schellmann.

Eines der Hauptprobleme bei den früheren Versuchen zu einer wirksamen Klima- und Energiestrategie war das Fehlen einer Gesamtstrategie. Stattdessen wurden meist ohne deutliche Stoßrichtung Vorschläge für Einzelmaßnahmen gesammelt, die im Kompetenz- und Interessensdickicht von Bund, Ländern und Sozialpartnerschaft nur manchmal, ungenügend oder oft gar nicht umgesetzt wurden. Es war auch nicht erkennbar dass sich die Bundesregierung für die Umsetzung besonders verantwortlich gezeigt hat. Dadurch sind die Treibhausgasemissionen Österreichs seit 25 Jahren praktisch gleich hoch geblieben. "25 wichtige Jahre wurden versäumt", sagt Schellmann. Dabei zeigt gerade das erst letzter Woche veröffentlichte "European Innovation Scoreboard", dass jene Staaten, die eine ambitionierte Energie- und Klimapolitik verfolgen, im Innovationsranking sehr gut abschneiden, allen voran Schweden. Dort gibt es als zentrales Lenkungsinstrument eine CO2-Abgabe kombiniert mit einem innovationsfördernden Rückvergütungssystem.

"Die Fehler aus der Vergangenheit drohen sich zu wiederholen. Wir fordern daher von Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bei den zentralen strategischen Fragen für Klarheit zu sorgen", so Schellmann. "Fehlende Zielvorgaben und die Unklarheit über den Prozess sind inakzeptabel. Wir werden uns an dieser Online-Konsultation nicht beteiligen, in der derzeitigen Form ist sie nicht zielführend. Wir können uns dieses herumlavieren angesichts der steigenden Klimaschäden nicht mehr leisten", meint Schellmann.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /