© Gasokol/ Gasokol SolarEvolution, Kompetenzzentrum für thermische Solarenergie in Saxen, Oberösterreich
© Gasokol/ Gasokol SolarEvolution, Kompetenzzentrum für thermische Solarenergie in Saxen, Oberösterreich

Heizen ohne Heizkosten – Wann sind wir reif genug dafür?

Internationales Sonnenforum im Mühlviertel zeigt bessere Wege auf

© Harald Kuster / Kirche Rief. 30 realisierte Projekte wurden präsentiert. Jedes für ein Jahr nach Tschernobyl.
© Harald Kuster / Kirche Rief. 30 realisierte Projekte wurden präsentiert. Jedes für ein Jahr nach Tschernobyl.
© Josef Jenni / Bereits seit 1989 werden Gebäude vollsolar beheizt.
© Josef Jenni / Bereits seit 1989 werden Gebäude vollsolar beheizt.
© Habau/ Europas größte vollsolar beheizte Industriehallen freuen sich auf Besucher.  Informationen zur Besichtigung gibt es unter vollsolar@habau.at
© Habau/ Europas größte vollsolar beheizte Industriehallen freuen sich auf Besucher. Informationen zur Besichtigung gibt es unter vollsolar@habau.at

Saxen, Perg - Das internationale Sonnenforum 2016 fand in Saxen im Mühlviertel statt. Eine neue Institution für den sinnvollen Einsatz erneuerbarer Energie wurde damit ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt der Vorträge und Expertendiskussionen stand die Frage ‘Wann beginnen wir endlich mit thermischer Solarenergie ganzjährig und vollständig zu heizen? Seit 30 Jahren kann man es. Sind wir nicht reif genug dafür?’

Wissentlich, dass ein Großteil des gesamten Energieaufkommens eines durchschnittlichen Haushaltes für Wärme, also Heizung und Warmwasser, verbraucht wird, wirkt der Aufwand für den Strombedarf vergleichsweise vernachlässigbar. Trotz dieses Unverhältnisses bemühen sich Hausherr und Hausfrau, Strom aus überdimensionierten Photovoltaikdachflächen selbst zu generieren. Die, der Überdimension entsprechende Energieeinspeisung ins Stromnetz co-finanziert den kommerziellen Erfolg der konventionellen Stromversorgungsunternehmen.

Geachtet der bereits vergebenen Chancen, sollte die Gelegenheit genutzt und die thermische Solartechnik als primäres Heizsystem der fossilen Brenntechnik vorgezogen werden. Österreich hat dazu das Wissen, das Können und hätte folglich mehr Wertschöpfung im eigenen Land.

Bauen - schon heute für morgen

Ganzjährige vollsolare Beheizung von Gebäuden braucht mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund lud Gastgeber Ronald Gattringer, Geschäftsführer von Gasokol, Vortragende, Experten und Interessenten ins Oberösterreichische Kompetenzzentrum für thermische Solarenergie nach Saxen. Die ausgebuchte Veranstaltung bei Österreichs ältestem Solarhersteller bot den hochkarätigen Referenten Josef Jenni, Harald Kuster und Irene Hauer-Karl die Gelegenheit, mit unmissverständlichen Vorträgen das internationale Publikum zu überzeugen. Jenni, Kuster und Hauer-Karl sind Experten der Gegenwart auf dem Gebiet der teil- und vollsolaren Wärmeversorgung von Industrie und Gewerbe, Kommunal- und Wohnbau.

Der Schweizer Josef Jenni, von der Jenni Energietechnik AG, referierte sehr objektiv über Möglichkeiten und Grenzen der Sonnenenergie. ‘Wie heizen wir in Zukunft’, stellte er die zentrale Frage und zeigte das Heute und das Morgen nachhaltigen Wohnens, Arbeitens und Bauens. 1989 realisierte Jenni das erste 100-Prozent-Sonnenenergiehaus Europas in Obernberg, Schweiz. Dem folgte der Bau zahlreicher, zu hundert Prozent solarbeheizter Ein- und Mehrfamilienhäuser.

Jenni wies deutlich auf die lebensbedrohlichen Auswirkungen einer mutwilligen Verzögerung des Einsatzes umweltschonender Energieformen hin. Zum Wettlauf um die erneuerbare Stromgewinnung äußerte er sich ebenso konkret. ‘Der kurzfristige Strombedarf, den der Mensch glaubt zu brauchen, dient zu viel der Verschwendung. Angenommen, der benötigte Strom zum Betreiben der installierten Wärmepumpe käme aus einem Kohlekraftwerk. Das ist doch, als hätte man eine Kohleheizung im Keller.’

30 Jahre Tschernobyl

Seit 1910 sind mehr als 10 Millionen Tonnen Rohöl medienwirksam ausgelaufen und Tschernobyl ist erst 30 Jahre her. Dieser eine Satz impliziert in unseren Köpfen die schrecklichen Bilder brennender Bohrinseln, kontaminierter Landschaften, verendender Tiere und toter Menschen.

Das Gefahrempfinden für den Einzelnen scheint mit der Sichtbarkeit und der Distanz zur Ursache leider noch immer zu schwinden. Angesicht dessen präsentiert Harald Kuster, der Pionier vollsolarer Betonteilaktivierung, seine zahlreichen, wegweisenden Projekte, die allesamt ohne fossile Heizmaterialien auskommen können.

Das Prinzip vollsolarer Betonteilaktivierung

Eine thermische Solaranlage sammelt die Sonnenwärme über den Solarkollektor und transportiert diese in den Heizungspuffer. Von dort wird die Wärme in den als Speicher aktivierten Betonteil eingespeist. Die Speichermasse Beton nimmt die Energie auf und gibt sie nach Bedarf kontrolliert an den Innenraum ab. Das sorgt im Winter und im Sommer für gleichmäßige Raumtemperaturen, ein gesundheitsförderndes Raumklima und optimale Temperaturschichtung im Raum. Mit der solaren Betonteilaktivierung wird ganzjährig, höchst energiesparend und völlig ungefährlich geheizt und gekühlt.

Solar erzielte Überschussenergie kann wie Fernwärme, Abnehmern in der Nachbarschaft, die Bedarf an Wärme für Heizung haben, zur Verfügung gestellt werden.

Der Wärmespeicher Beton

Betonteile laden sich mit solarer Wärmeenergie aus dem Ertrag der Solarkollektoren auf und geben diese kontrolliert wieder an den Raum ab. Beton als Wärmespeicher ist in jedem Gebäude vorzusehen. Eine Bodenplatte bietet sich beinahe schon penetrant mit ihrer enormen Speichermasse und außerordentlichen Speicherkapazität als zu aktivierender Betonteil an. Ein Bauteil der einen wesentlichen Anteil an den Gebäudekosten hat, sollte demnach nicht ungenutzt bleiben.

Die Winter werden solarfreundlicher

Für die ganzjährige Beheizung von Gebäuden ist die solare Winterleistung ausschlag-gebend. Den Grundstein für diese Tatsache, dass unsere Winter solarfreundlicher werden, legte der Mensch durch das unermessliche Ausmaß seiner Umweltsünden selbst.

Wir tragen Verantwortung

Grundsatzhaltung ist längst das Kernargument für den Einsatz thermischer Solarenergie. Die Entscheidung über Energietechnik und Rohstoff trifft letztendlich der Bauherr - für sich, für seine Angehörigen und für seine nachfolgenden Generationen. So lässt sich Verantwortung für eine positive Energiezukunft auch zuordnen.

Um die Welt besser zu machen kann jeder für sich seine persönlichen Akzente setzen. Tag für Tag und über Nacht würden gemeinsam riesige Beiträge geleistet, die sich einfach aus der Summe der Einzelnen ergeben. Unabhängig von Grund- und Landesgrenzen, unabhängig vom Ursprung, schlicht ausgehend von uns selbst.

Für den Fall, dass auch dies ungeachtet bleibt, hilft womöglich nur noch beten. In Rief steht dafür ein architektonisches Abbild moderner Kirche - vollsolar beheizt – basierend auf einem Energiekonzept von Harald Kuster. Man muss eben am Markt verständlich argumentieren.

Europas größte vollsolar beheizte Industriehallen

Im Herzen Österreichs stehen Europas größte vollsolar beheizte Industriehallen. Diese Hallen, mit einer Gebäudefläche von 7.315 m2 und einer durchschnittlichen Raumhöhe von 12,2 Metern werden ausschließlich über eine thermische Solaranlage mit Wärmeenergie für Raum- und Prozesswärme versorgt. Daraus ergeben sich knapp 90.000 m3, auf Temperatur zu bringendes, Raumvolumen. Der Betonteil Bodenplatte übernimmt die Funktion des Wärmespeichers. Man verzichtet hier bewusst auf ein konventionelles Heizsystem und produziert lieber selbst die riesigen Energiemengen. 540.000 solar gewonnene Kilowattstunden im ersten Jahr entsprechen den eingesparten Kosten für und der nichtverbrauchten Menge von 70.000 m3 Erdgas oder 62.500 Liter Heizöl. In nur 7 bis 8 Jahren amortisiert sich die Investition und die bis dato aufgewendeten Kosten für konventionelle Energieträger wandeln sich ab dann in jährliche Erträge. Begleitend spart man der Umwelt, von Perg in Oberösterreich aus, 190 Tonnen CO2 pro Jahr.

Hier schließt sich der Kreis. Jeder kann bewusst seine Beiträge leisten. Einige haben schon damit begonnen.

GastautorIn: Gabriele Windischhofer für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /