© PR/  Pflegen den Austausch über den Energiemarkt: Der US-Ökonom Jeremy R. Riffkin (l.) und BSW Solar-Präsident Joachim Goldbeck  beim Energiewendedialog in Berlin
© PR/ Pflegen den Austausch über den Energiemarkt: Der US-Ökonom Jeremy R. Riffkin (l.) und BSW Solar-Präsident Joachim Goldbeck beim Energiewendedialog in Berlin

Energiewende und Armutsbekämpfung gehören zusammen

Ein Interview mit BSW-Präsident Joachim Goldbeck

Optimistisch für die Solarbranche ist Joachim Goldbeck, weil in den letzten Jahren schon wichtige Etappenziele erreicht wurden. Er wurde Ende November zum Präsidenten des deutschen Bundesverbands Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar) gewählt. Die Solarbranche hat in den letzten Jahren dank vieler politischer und technologischer Anstrengungen einen Durchbruch erreicht. Auf gänzlich eigenen Füßen steht sie aber erst, wenn CO2-Emissionen mit ihren Folgekosten belastet werden. Goldbeck setzt auf energieautarke Fabriken und internationale Standards, um die globale Umweltzerstörung aufzuhalten.

Herr Goldbeck, die Solarbranche darbt. Was haben Sie in Ihren ersten 100 Tagen als BSW-Präsident schon bewegt?

GOLDBECK: Ich habe viele Termine beim Verband in Berlin wahrgenommen, mit vielen der rund 1000 vertretenen Unternehmen , mit Politikern und Redakteuren gesprochen und Energieforen besucht, wie zuletzt Ende März die internationale Energiewendekonferenz in Berlin, wo sich Wissenschaftler, Wirtschaftsverbände und Spitzenpolitiker austauschen. Denn vor dem Bewegen kommt das Zuhören und Orientieren. Mit einer Reihe von Akteuren konnte ich bereits einen fortwährenden Dialog aufbauen und Impulse setzen. Aber ich merke schon, dass auf dem politischen Parkett die Uhren langsamer und anders gehen als etwa in meinem Unternehmen.

Das heißt?

GOLDBECK: Politiker wollen in erster Linie wieder gewählt werden. Für sie ist entscheidend, was öffentlich relevant und vermittelbar und nicht unbedingt, was die bestmögliche Lösung ist. Derweil lösen sich – in unserer Branche zum Beispiel - die industriellen Kerne auf, mit denen wir Technologieführer waren und bundesweit 400.000 Jobs geschaffen haben. Gut ein Viertel davon haben wir schon wieder verloren.

Wie lautet Ihr Hauptkritikpunkt?

GOLDBECK: Die regenerativen Energien sind unbegrenzt vorhanden und emissionsfrei. Die Anlagen haben nur einen Anschaffungspreis und Wartungskosten. Dem steht der Weltmarktpreis von Öl, Gas oder Kohle gegenüber, nicht aber deren Kosten für die Zerstörung der Erdatmosphäre. Die knappe Deponiekapazität der Atmosphäre ist zum Beispiel nicht eingepreist. Die freigesetzten Emissionen führen zu Klimawandel, Umweltschäden und letztlich zu Armutsflüchtlingen, die zu Zehntausenden über die Türkei oder das Mittelmeer nach Europa drängen. Deren Abwehr oder Aufnahme und Integration ist ein Teil dieses Preises.

Eine gewagte These.

GOLDBECK: Das finde ich nicht, sondern in globalen Zusammenhängen gedacht. Statt des politischen Klein-klein und betriebswirtschaftlicher Verkürzung müssen wir das Thema endlich volkswirtschaftlich und global angehen. Unsere Branche, die die technischen Lösungen hat, verhungert in Deutschland am ausgestreckten Arm der Politik und einer etablierten Lobby, die auf diversen Klimagipfeln seit Jahren Handeln vortäuscht. Währenddessen produziert unser zu kurz springendes Handeln immer neue Probleme, die ganze Landstriche unbewohnbar machen und Menschen in die Flucht hierher schlagen.

Wie sieht Ihre Lösung aus?

GOLDBECK: Eine Bepreisung der CO2-Emissionen mit deren Folgekosten und konsequente Investitionen in die Energiewende. Meine Kritiker sagen, Solarstrom und Energieautarkie seien unsolidarisch, weil sich deren Investoren nicht an den Gesamtfixkosten beteiligen wollten. Deshalb werden sie an der EEG-Umlage mit 40 Prozent beteiligt und das sei gerecht. Ich sage dagegen, dass bei perspektivisch 80 bis 100 Prozent Strom aus den schwankenden Quellen Wind und Sonne diejenigen Stromkunden Vorteile haben werden, die ihren Verbrauch flexibel steuern können. Wer in Flexibilität und Energieautarkie investiert, leistet seinen Beitrag zur Energiewende und er sollte zumindest nicht dafür bestraft werden. Wer Energieverbrauch vermeidet, indem er zum Beispiel Glühlampen durch siebenmal effizientere LED-Lampen ersetzt, muss für diese Entlastung des Netzes zurecht auch keine Energiespar-Entsolidarisierungsabgabe entrichten. Wenden wir uns daher gerechten und wirksamen Maßnahmen zu: Eine globale CO2-Abgabe würde für alle einheitlich die Stromkosten aus fossilen Energien erhöhen – und die EEG-Umlage senken.

Eine globale Umlage auf CO2 Emissionen ist doch nicht realistisch.

GOLDBECK: Eine einheitliche globale Lösung muss das Ziel sein. Reale Schritte dahin können zeitnahe nationale und überregionale Vereinbarungen sein, die der Form halber schon mit einer späteren globalen Regelung vereinbar sind. Und solange diese nicht umgesetzt sind, benötigen wir Fördersysteme, die die Wettbewerbsverzerrungen zwischen fossilen und erneuerbaren Energien ausgleichen. Für die EU kann der Emissionshandel in der Form weiterentwickelt werden, dass erstens der CO2-Preis auf alle Verbraucher von Öl, Gas und Kohle erhoben wird und zweitens der CO2-Preis dahin geführt wird, dass die perspektivischen Kosten des Klimawandels abgedeckt werden. Der langfristige Königsweg ist, die fossilen Rohstoffe gleich an der Stelle mit Kosten zu belegen, an der sie aus der Erde geholt werden.

Worauf liegt für Sie der Fokus der nächsten Monate?

GOLDBECK: Neben einer ganzen Reihe von Diskussionen, die im politischen Umfeld geführt werden, sehe ich es als das Wichtigste an, dass die Politik uns die Steine für neue Geschäftsmodelle aus dem Weg räumt, damit wir uns aus der Förderabhängigkeit vom EEG befreien können. Es kann nicht sein, dass der deutsche PV-Markt auf gut 1 GW schrumpft, während der Weltmarkt boomt. Ein gesunder Heimatmarkt ist die Voraussetzung für gesunde Unternehmen und erfolgreichen Export. Daneben werde ich die Vorteile der Photovoltaik wieder in den Fokus bringen: Privatpersonen, Gewerbe und Industrie können schon heute vielfach Solarstrom günstiger erzeugen und verbrauchen als sie Netzstrom beziehen. Das gilt auch international: Bei einer Delegationsreise Mitte März in den arabischen Raum wurde deutlich, dass Strom aus PV jetzt schon 30 Prozent günstiger ist als Strom aus Öl und Gas bei einem Ölpreis von 50 Dollar je Barrel. Die Energiewende gewinnt international an Fahrt und wir in Deutschland haben die Möglichkeit, ganz vorne auf der Welle zu reiten.

www.solarwirtschaft.de

GastautorIn: Leonhard Fromm für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /