© pixabay. Openclips
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Kaverneninspektion im Kernkraftwerk Brunsbüttel: Weitere erheblich verrostete Abfallfässer entdeckt

Bei den Inspektionen der Kavernen des Kernkraftwerks Brunsbüttel sind weitere stark korrodierte Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen gefunden worden.

KIEL/BRUNSBÜTTEL. Anders als in bisherigen Fällen ist aufgrund der starken Beschädigungen teilweise Inhalt von Fässern ausgetreten. Gesundheitsgefahren für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kernkraftwerks und für die Bevölkerung bestehen nicht, da die Kavernen durch meterdicke Betonriegel von der Umgebung abgeschirmt sind. Dies teilte die Atomaufsicht am 20. August 2014 aufgrund von Zwischenergebnissen mit. Die Inspektion der Kaverne soll im Laufe des nächsten Monats abgeschlossen sein.

Bei dem ausgetretenen Inhalt handelt es sich vermutlich um Verdampferkonzentrat aus der Behandlung von radioaktiv kontaminiertem Wasser. Dieses Konzentrat hat sich stellenweise in breiiger Form auf dem Boden der Kaverne II gesammelt. Die Fässer waren vor rund 30 Jahren in der Kaverne eingelagert worden. Die Abfälle enthalten trotz der jahrzehntelangen Abklingzeit noch relevante Mengen an radioaktivem Cäsium 137, einem typischen Spaltprodukt beim Betrieb von Kernkraftwerken.

Die Atomaufsicht des Energiewendeministeriums hat bei den Inspektionen im Innern der Kaverne eine Luftfeuchtigkeit von knapp 75 Prozent festgestellt. Die Behörde geht deshalb davon aus, dass das Verdampferkonzentrat seinerzeit vor der Einlagerung nicht ausreichend getrocknet worden war. In der Kaverne befinden sich 118 Fässer, darunter 46 sogenannte Altfässer, die in den Jahren 1983 bis 1985 in den Kavernen eingelagert wurden. Bis zum 19. August wurden 40 Fässer vollständig inspiziert. An 10 Fässern wurden starke Auffälligkeiten festgestellt.

Angesichts der Befunde ist die Atomaufsicht der Auffassung, dass das bislang von Vattenfall entwickelte Spezial-Konzept zur Bergung der korrodierten Fässer nicht ausreichen wird, um eine sichere Handhabung der Fässer zu gewährleisten. Nach Einschätzung der Behörde lässt sich zumindest eines der nun inspizierten Fässer nicht mehr anheben, weil der Deckel nicht mehr vollständig mit dem Fass verbunden ist. Die Atomaufsicht hat daher die Betreibergesellschaft aufgefordert, unverzüglich weitere Beprobungen durchzuführen und ein Bergungskonzept für die Inhalte der Kaverne II vorzulegen.

Energiewendeminister Robert Habeck erklärte: "Ich erwarte von Vattenfall, dass die Inspektionen fortgesetzt werden und parallel mit Hochdruck an einem geeigneten Bergungskonzept gearbeitet wird. Die Fässer müssen schnellst möglich geborgen werden, damit sich ihr Zustand nicht noch weiter verschlechtert", betonte Habeck. "Es gelte, eine weitere Verunreinigung der Kaverne durch kontaminierte Flüssigkeit zu vermeiden. Das sei für die Sicherheit jener Mitarbeiter wichtig, die zu einem späteren Zeitpunkt die Kaverne nach der Räumung reinigen müssen." Die Fässer sollen im Jahr 2015 geborgen werden, in sichere, endlagergerechte Gebinde umgefüllt und in die Lagereinrichtungen (Fasslager, Transport-Bereitstellungshallen auf dem Gelände des Kernkraftwerks) verbracht werden, bis das Endlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle, Schacht Konrad, zur Verfügung steht.

"Eine systematische Kontrolle der Fässer ist bis zum Jahresbeginn nicht erfolgt. Das Konzept bestand anscheinend eher darin, auf die Inbetriebnahme von Schacht Konrad zu warten. Der Umgang mit Atommüll jeglicher Art erfordert aber eine penible Sicherheitskultur. Das muss ein Gebot der Zukunft sein", sagte Habeck.

Vattenfall hatte der Atomaufsicht den Sachverhalt am Montag, 18. August, als Meldepflichtiges Ereignis der Kategorie N 2.4.1 gemeldet ("Sicherheitstechnisch bedeutsames Ereignis beim Transport, der Handhabung oder der Lagerung von Brennelementen oder sonstigen radioaktiven Stoffen innerhalb der Anlage oder des Anlagengeländes").

Hintergrund:
In unterirdischen Lagerstätten ("Kavernen") des Kernkraftwerks Brunsbüttel befinden sich schwach- und mittelradioaktive Abfälle (631 Fässer) aus dem Reaktorbetrieb. Es handelt sich im Wesentlichen um Filterharze und Verdampferkonzentrate. Diese Abfälle sind auf die Endlagerung im niedersächsischen "Schacht Konrad" vorzubereiten, u.a. durch Verpackung aller Abfälle in bauartgeprüfte, speziell zugelassene Behälter. Das Endlager Konrad wird voraussichtlich zu Anfang des kommenden Jahrzehnts zur Verfügung stehen.

Nachdem eine Sachverständige der Atomaufsicht Anfang 2012 ein stark korrodiertes Fass in einer Kaverne in Brunsbüttel entdeckt hatte, veranlasste die Behörde die Überprüfung aller Abfalllager in schleswig-holsteinischen Kernkraftwerken.

Die Fässer lagern in 6 Kellerräumen, den sogenannten Kavernen des Kernkraftwerks. In den 631 Stahlfässern werden radioaktive Abfälle (Filterharze, Verdampferkonzentrate und Mischabfälle) aus dem Leistungsbetrieb des Reaktors aufbewahrt. Die Kavernen befinden sich im Keller des Feststofflagers.

Zwischen den eng neben- und übereinander stehenden Fässern sind in der Vergangenheit mit bis zu 600 Millisievert pro Stunde hohe Strahlenwerte gemessen worden. Dies sind zwar hohe, aber nicht ungewöhnliche Werte. Die Strahlung reduziert sich nach dem Abstandsquadratgesetz. Zudem sind die Kavernen durch 110 Zentimeter dicke Betonriegel von oben her abgeschirmt. Diese Betonriegel reduzieren die Strahlung so weit, dass oberhalb der Kaverne unter Strahlenschutzmaßnahmen gefahrlos gearbeitet werden kann. Im Arbeitsbereich herrschte während der Inspektionsmaßnahmen bei geöffneter Kaverne eine Dosisleistung von 1-2 Mikrosievert pro Stunde. Zum Vergleich: Der nach der Strahlenschutzverordnung für beruflich strahlenexponiertes Personal festgelegte Grenzwert beträgt 20 000 Mikrosievert pro Kalenderjahr.

Die Ortsdosisleistung im Kontrollbereich wird durch festinstallierte Messeinrichtungen überwacht. Aufgrund der Ergebnisse der Strahlenschutzüberwachung steht fest, dass es bisher zu keiner Gesundheitsgefährdung für das Personal oder die Bevölkerung gekommen ist.

Was ist Verdampferkonzentrat?

Die im Kontrollbereich eines Kraftwerks anfallenden Abwässer müssen gesammelt und gereinigt werden, bevor sie wieder an das Flusswasser abgegeben werden. Dies geschieht in Verdampferanlagen. Die Konzentrate, in denen die Radioaktivität des Abwassers zu 99,9% zurückbehalten wird, müssen gesammelt, getrocknet und gelagert werden.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /